Montag, 29. November 2010

Lange Handschuhe und Schmuck?


Ich habe eine Frage zum Stichwort «lange Handschuhe»: Soll ich zu einem Anlass die Uhr und den Fingerschmuck weglassen oder diese über meinen Handschuhen tragen? Mir gefällt das nicht so ganz, es scheint mir zu pompös. Gibt es dazu Vorgaben? Edith W., Zürich 


Mir scheint es auch zu pompös, fürwahr. Also hören Sie doch einfach auf Ihren Instinkt. So komplett ausstaffiert sähen Sie aus wie die englische Queen auf dem Neujahrsball. Lassen Sie doch für einmal Ringe und Uhr weg, und gönnen Sie sich einen umso schillernderen Halsschmuck. Und geben Sie richtig Gas bei den Schuhen, da wird kein Mensch mehr nach Fingerringen fragen.
Als Diabetiker muss ich mein Insulin immer dabei haben, weshalb ich eine Tasche mit mir trage. Gibt es eine, die adäquat ist für einen Anlass, der den Dresscode «black tie» vorschreibt? Rainer F., per E-Mail

Die richtige Tasche wäre eine mit Edelsteinen besetzte Clutch – allerdings für die Damen. Sie sähen in Ihrem Smoking wohl etwas eigenartig damit aus! Eine Akten- oder gar eine Kuriertasche gehen allerdings auch nicht, damit sähen Sie aus wie ein Journalist, der über den Anlass berichten muss. Aber warum lassen Sie sich nicht etwas auf Mass machen, etwa bei Peter Nitz in Zürich? Ich kann mir vorstellen, dass er eine kleine, kernige schwarze Lederhandtasche entwerfen würde, mit einem Smokingstreifen und einer Silberschliesse, die gleichzeitig festlich und maskulin wäre!

Dame oder Herr zuerst?

Wenn der Herr der Dame eine Tür aufhält, so dass die Dame zuerst vor dem Gastgeber steht, wird die Dame sicherlich zuerst vom Gastgeber begrüsst. Was aber, wenn Dame und Herr auf unterschiedlicher Hierarchie-Ebene stehen und die Dame auf tieferer Stufe? Geht diese dann trotzdem zuerst durch die Türe? Man sagt, dem Herrn Bundeskanzler habe man auch immer vor seiner Frau die Hand gegeben. Isabel F., Stuttgart

Begrüssungsrituale gehen des Öfteren in die Hosen. Dabei naht die Zeit der grossen Bälle und Zeremonien, und da sollte man in solchen Dingen schon etwas trittsicher sein. Grundsätzlich meine ich, dass man im privaten Umgang immer zuerst die Damen begrüssen sollte, ungeachtet ihres möglicherweise «geringeren» Ranges. Der begleitende Herr sollte den ersten Schritt hierzu aber nicht einfach deren Gegenüber überlassen, sondern «seine» Herzensdame vorstellen. Etwas komplexer ist es auf dem diplomatischen Parkett, wo es Protokollchefs gibt, die sich ganztägig ausschliesslich mit solchen Fallstricken beschäftigen. Schreiben Sie mir wieder, wenn Sie dort angekommen sind? Vielleicht kann ich dann auch noch etwas lernen.


Nachtrag 1 vom 30.11.2010:
Soeben erreichte uns die E-mail eines nicht namentlich genannt sein wollenden Schweizerischen Botschafters in einem südamerikanischen Land, der folgendes zur Präzisierung des Sachverhaltes beisteuert: "Ich bin "dort angekommen" wie Sie es nennen. Aber das bedeutet gar nichts. Aber ich kann Ihnen mitteilen, dass in der Diplomatie im offiziellen Verkehr immer zuerst die Person begrüsst wird, die die Funktion inne hat. Bedenken Sie aber, dass dies durchaus und immer mehr auch ein Dame sein kann. Dann ist die Begleitperson entweder ein Herr oder eine andere Dame. Eine weitere Variante (und auch immer mehr) ist diejenige mit zwei Herren." - Danke! Diplomatie live!

Nachtrag 2 vom 30.11.2010:
Leser E.F. in B. moniert die saloppe Sprache des obigen Beitrags: "Hat der Stilfachmann auch schon mal über seinen Sprachstil nachgedacht? "Begrüssungsrituale gehen des Öfteren in die Hosen." Was, wohin? Nein, das hat keinen Stil."

Sonntag, 21. November 2010

Wann nimmt der Herr den Hut ab?


Ist es heute Mode, dass der Herr in geschlossenen Raeumen den Hut aufbehaelt? Cécile U., Buonas

Das tun nur Barbaren und in stilistischen Dingen ungeübte Jungspechte, die sich der Mode und/oder Justin Timberlake wegen so ein Trilby-Hütchen gekauft haben und meinen, das dann immer und überall tragen zu müssen. Vielleicht haben Sie auch nur eine blöde Frisur unter dem Hut, das kann ja durchaus passieren. Natürlich nimmt der Gentleman beim Betreten jeder Art von Innenräumen (ausser Wartesälen und anderen zugigen Durchgangsorten) den Hut ab. Ausser man heisst Udo Lindenberg: Dann muss man (auch im Restaurant) den Hut aufbehalten, da man sonst vermutlich den reservierten Tisch nicht bekommt bzw. weil am nächsten Tag eine Glatze die Titelseiten der Boulevardblätter schmückt...

 

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Den Gatten zur Pensionierung begleiten?


Mein Mann wünscht, dass ich an seiner Verabschiedung in den Ruhestand teilnehme. Wohlgemerkt: Ich kenne die Arbeitskollegen nicht, weil nie eine geschäftliche Einladung erfolgte. Ich finde meine Anwesenheit bei der Verabschiedung deshalb deplaciert. Ist dem so? Eva Z., per E-Mail

Wenn es der ausdrückliche Wunsch Ihres Gatten ist, dass Sie ihn ein einziges Mal, nämlich das letzte, zu seinem Arbeitsort begleiten, so würde ich ihm diesen Wunsch nicht abschlagen. Natürlich wird Ihnen alles ein wenig fremd vorkommen. Aber jetzt, wo Sie Ihren Liebsten bald öfter sehen, sollten Sie vielleicht auch diese Facette seines bisherigen Lebens noch sehen. Die Chance haben Sie danach nicht mehr. Also entspannen Sie sich, atmen Sie tief durch, und dann mit Schmackes rein in den Schlamassel!

Hausschuhe für den Herrn


Um der Gefahr zu entgehen, als Gast in einer fremden Wohnung mit Socken herumlaufen zu müssen, nehme ich vorsichtshalber meine eigenen Hausschuhe mit. Darf man das? Und können Sie mir mitteilen, ob Sie eher Modelle von Bottega Veneta oder die mit Stickereien versehenen Samtslipper von Shipton & Heneage bevorzugen? Christof K., per E-Mail

Sie scheinen sich ja bestens in der Sache auszukennen, Monsieur. Ihr Verhalten ist prima, daran habe ich nichts herumzumeckern. Doch fragen Sie mich ganz persönlich, welche Art von Hausschuhen ich bevorzuge? Nun, die aus Tweed von Bottega Veneta waren schon super, aber sie sind nun kaputt, und das Modell gibt es dort leider nicht mehr. Dafür habe ich wildlederne Schönheiten mit Cashmere-Futter von Alpi Cashmere bei Grieder in Zürich gefunden. Ein Traum! Dagegen haben auch die geckenhaften Traditionsmodelle aus England keinen Stich.

Nachtrag vom 5.12.2010 von Leser R. Stutz:
Mit dem Thema, als Gast Slippers in einer fremden Wohnung zu tragen, begeben Sie (bzw. der Fragesteller) sich auf dünnes Eis. Wird als Gast Slippers getragen, bedeutet dies eigentlich, dass man mit der Dame des Hauses ein Verhältnis hat. Wenn es ein informeller Anlass unter Freunden ist, sollten Socken (ohne Löcher notabene) kein Problem sein. Andernfalls mit Strassenschuhen auf der sicheren Seite bleiben. R. Stutz

Sonntag, 14. November 2010

Wo gibts runde Brillen wie Le Corbusier sie trug?


Seit Jahrzehnten trage ich runde, schwarze Brillen (mit korrigierten Gläsern). Diese gehören einfach zu mir, sie sind mein Markenzeichen. In Fachgeschäften scheint es aber immer schwieriger zu werden, solche Brillen zu finden. Können Sie mir eine Adresse verraten? 
Esther L., Bern 

Witzig, dass Sie gerade jetzt diese Frage stellen, denn letzten Samstag habe ich das Modell «Kalder» von Oliver Peoples probiert und fand, es sei nach Jahren vielleicht wieder einmal Zeit für ein solches rundes Modell! Und ich habe unlängst bei E. B. Meyrowitz an der Place Vendôme in Paris wunderbare Brillen vom Typus Le Corbusier gesehen - die stellen dort seit Jahrzehnten solch runde Nasenvelos her, auch auf Mass. Allein das altehrwürdige Geschäft lohnt schon eine Reise nach Paris.

PS. Nachtrag der Redaktion, für alle Berner: Der in Frau L.'s Stadt tätige Optiker Bärtschi hat sich gemeldet und reklamiert für sich, auf dem Gebiet der runden Brillengestelle der Platzhirsch zu sein. Adresse: Zeiglockenlaube 6.

PPS: Nachtrag vom 25.1.11: Auch Volz Optik in Schwarzenburg hat "die schwarze Runde", auch auf Mass, im Angebot und schickte uns zum Beweis dafür ein ansprechendes Bild.

Welche Weingläser muss man haben?

Meine Alltags-Weingläser stammen aus der Studentenzeit und sind keines Weines würdig. Mutiert zu einer Weinliebhaberin, bin ich nun auf der Suche nach einem Alltags-Weinglas: formvollendet, pflegeleicht und für verschiedenste Weine verwendbar. Auf welches Glas ist da Verlass? Claudia K., Bäch (SZ)

Unser Weinfachmann Peter Keller meint: «Ein Glas für jeden Wein gibt es nicht.» Es müsse auf jeden Fall dünn geblasen und eiförmig sein, damit sich die Aromen entfalten könnten. Konkret empfiehlt er ein Weissweinglas und ein etwas grösseres Rotweinglas von einer Manufaktur wie Riedel, Spiegelau oder Schott-Zwiesel. «Wer Bordeaux liebt, kann auch auf ein Glas mit bauchiger Form nicht verzichten», sagt Keller, der im Januar 2011 ein Leser-Seminar für Weingläser durchführt. Vielleicht wollen Sie ihn dort besuchen? Ich persönlich kann Ihnen auch Alfredo Häberlis Serie «Essence» für Iittala empfehlen - die Dinger sind nicht kaputtzukriegen, sehen chic aus, und der Wein schmeckt darin auch super. Bei mir zumindest.

Unterhemd unter dem Hemd?

Mit sinkenden Temperaturen und zunehmendem Alter, 63, habe ich begonnen, Unterhemden zu tragen. Besonders bei weissen Hemden scheinen die Unterleibchen aber durch, was mir nicht gefällt. Was empfehlen Sie? Franz S., per E-Mail

Sie können entweder ein ganz, ganz feines Unterhemd wählen, etwa die unerreichte Richelieu-Qualität des Schweizer Herstellers Zimmerli, die eng am Körper anliegt und sich deshalb kaum abzeichnet. Oder Sie wählen, gerade in der kälteren Jahreszeit, etwas festere Hemdenstoffe, etwa einen körnigen und trotzdem eleganten Oxford-Stoff, ein sportliches Chambray-Gewebe oder - warum auch nicht! - einen gerauten Flanell. Es muss ja nicht immer das Standard-Businesshemd sein!

Sonntag, 7. November 2010

Soll man sich gegen Kaugummi-Kauende wehren?

Wenn in meiner unmittelbaren Nähe jemand mit offenem Mund Kaugummi kaut, werde ich beinahe zur Totschlägerin im Affekt. Leider scheint diese Unsitte aber zum Standard zu werden, kennt keine Altersgrenzen und macht auch vor Personal in Läden nicht halt. Darf ich mich wehren? Margrit W., La Neuveville 

Diese Frage scheint mir geradewegs aus den fünfziger Jahren zu kommen. Damals muss man sich noch fürchterlich über die neumodischen Kaugummis aufgeregt haben. Ob Sie sich nun gerade wehren müssen, sei dahingestellt, doch würde ich sagen: Kommentieren dürfen Sie es sicher. Aber bitte: Denken Sie sich einen netten Kommentar aus. Höflichkeit schmerzt manchmal viel mehr als Gehässigkeit.

Partner-Look zur Hochzeit?

An einem Hochzeits-Apéro ist mir aufgefallen, dass zwei Paare sich solchermassen gewandet hatten, dass die Krawatte des Herrn in der gleichen Farbe gewählt war wie das Kleid der Dame. Ist das ein neuer Trend, den es bei der nächsten Hochzeit zu beachten gilt? Marianne I., Wettingen 
 
Was Sie beobachtet haben, sieht man an solchen Anlässen immer wieder, und es ist von eigenartigem Liebreiz, denn es ist ein Trick, den vor allem in Anziehfragen sonst nicht so beschlagene Menschen anwenden, um sich im Getümmel des nächtlichen Festrausches auch wiederzufinden. Anders kann man sich solch devote textile Markierungen ja wirklich nicht erklären

Jeans zerschneiden?

Ist das eigentlich stylisch oder uncool, wenn ich (als 15-Jährige) in meine Jeans extra Löcher schneide? Ich finde es im Winter schön, wenn farbige Strumpfhosen hervorblitzen. Im Laden würde ich nie zerschnittene Jeans kaufen, aber wenn man sie selber zerschneidet, finde ich das okay. Was ist deine Meinung? Carmen B., Winterthur

Hoppla, wie schön, wieder mal geduzt zu werden, dazu von einem Teenager! Willkommen im Klub, junge Dame - man kann tatsächlich nie früh genug mit dem Training anfangen. Zwar meine ich, dass es für Adoleszente bis zu etwa 22 Jahren eine Art Stil-Narrenfreiheit geben muss - in diesem Freiraum darf jeder experimentieren und sich blamieren, wie es ihm beliebt. Insofern können Sie von mir aus auch gerne Ihre Jeans kaputtschneiden. Ich finde das zwar nicht chic, aber vielleicht sieht es ja an Ihnen doch nett aus. Falls jemand dumme Kommentare abgibt: Sagen Sie einfach, Sie seien die erste Vertreterin einer neuen Mikro-Style-Revolution. Mit etwas Online-Self-Promotion kann so etwas zum Flächenbrand werden - vorausgesetzt, Sie haben das Zeug zum Trendsetter.