Sonntag, 30. Mai 2010

Hochzeit für eine moderne Prinzessin!

Ein besonderer Tag erwartet uns im September: Wir heiraten kirchlich und lassen gleichzeitig unseren Sohn taufen. Da ich nicht unbedingt in einem «Prinzessinnen-Kleid» mit Schleier heiraten möchte (wir sind beide auch schon über 40), aber dennoch stilvoll, bin ich auf der Suche nach einer passenden Garderobe. Was empfehlen Sie? Zorica K., per E-Mail

Ich mache mich jetzt bei all diesen Spezialisten furchtbar unbeliebt, aber dennoch sage ich es in aller Deutlichkeit: Halten Sie sich um Himmels willen von Hochzeits-Fachgeschäften fern! Sie versprühen nämlich heimlich Drogen, die ihre Opfer willenlos machen und ihnen die ästhetische Urteilskraft rauben, denn anders kann man sich nicht erklären, dass Tausende im Grunde schöner, natürlicher und lebensfroher Frauen im heiratsfähigen Alter in steife Polyesterroben gepresst und wie Schaufensterpuppen geschminkt und frisiert werden. Und die Männer erst: Sie sehen in ihren überlangen Kitsch-Gehröcken mit schimmernder Gewurstelkrawatte wie lackierte Türsteher in einem Provinzbordell aus! Ich sage Ihnen: Kaufen Sie Ihr Hochzeitskleid in einer schönen Boutique. Lanvin stellt traumhafte und entspannte Roben her (bei Trois Pommes in Zürich). Und schauen Sie sich auch die Kleider von Morgane Le Fay an, darin heiraten die Prinzessinnen von heute (bei Eclectic in Zürich).

Nachtrag vom 30. Mai 2010 von Leserin Wanda F., Winterthur: Mit Interesse lese ich jeweils Ihre Antworten zu Stilfragen in der Sonntagsausgabe der NZZ. Ihre Ausführungen zum Thema Hochzeitsgarderobe finde ich einmal mehr sehr treffend. Allerdings sind ihre Empfehlungen für die Braut - und auch den Bräutigam - nicht ganz vollständig: nebst den Boutiquen mit traumhafter und entspannter Konfektion zu nicht ganz so entspannten preisen gibt es die Schneiderin. sie verwandelt Träume mit Perfektion und Passion zum einzigartigen Kleid, massgeschneidert und in edlen Stoffen. Im übrigen lassen sich die Preise eines solchen Traums durchaus sehen neben denen der erwähnten Konfektion. Die wahren Prinzessinnen - und Prinzen - von heute lassen schneidern!

Nachtrag des Autoren: Das stimme ich Inen vollumfänglich zu, liebe Wanda!

Wie heiratet ein Mann stilvoll?

Meine wunderschöne Frau hält mich für einen ziemlichen Stil-Muffel, aber dennoch möchte ich neben ihr an unserer Hochzeit eine gute Falle machen. Soll ich als 50-Jähriger meine Frau im dunkelblauen Anzug - wie bei der Arbeit - heiraten? Dazu brauner Gurt und braune Schuhe? Philippe W., per E-Mail

Heiraten, da sind Sie sicher einverstanden, tut man nicht alle Tage. Daher sollten Sie für Ihr Outfit schon etwas mehr aufwerfen als für einen Businesslunch. Ihr dunkelblauer Geschäftsanzug mit «italienischen» (ergo: braunen) Accessoires wäre für eine Ziviltrauung okay, aber für die Kirche ist er nicht schicklich. Sollte er Nadelstreifen haben, wär's noch schlimmer, weil er zu sehr nach Sitzung und Aktenkoffer aussieht. Leisten Sie sich einen nachtblauen Anzug, denn schwarz wirkt oft zu freudlos. Das Jackett sollte schlank geschnitten sein, auf zwei Knöpfe schliessen und bitte auf gar keinen Fall diese unmögliche Dreiviertellänge haben (siehe Kapitel nebenan). Selbstverständlich werden Sie eine (schmale) Krawatte tragen, schliesslich wollen Sie sich später nicht immer erklären müssen, wenn man Hochzeitsfotos studiert. Und vergessen Sie die guten Schuhe nicht: schwarz und glänzend, passend zum Gürtel. Und jetzt mögen die Glocken läuten!

Mittwoch, 26. Mai 2010


Ich gehe gerne in die Sauna, vermeide es aber, mich an Gesprächen zu beteiligen, sondern lese lieber ein Buch. Als ich letzthin aus der Dusche kam, baute sich ein anderer Stammgast strahlend vor mir auf und sagte, er sei der George. Ich erklärte ihm, dass ich aber nur mit Menschen per du sein möchte, die ich längere Zeit kenne und schätze - und nicht, weil man gemeinsam nackt sei. Seine Miene verfinsterte sich. Habe ich mich korrekt verhalten, oder hätte ich das Du annehmen müssen? Thomas H., per E-Mail

In der Sauna muss man leider, der Hitze wegen, auf vieles verzichten, womit man sich sonst die Mitmenschen vom Leib hält: das Handy, den MP3-Player samt Kopfhörer oder Sonnenbrillen. Bleibt nur das gute Buch, und das haben Sie bereits im Einsatz, offenbar aber nur mit mässigem Erfolg. Ich meine: Sich duzen tut man, weil einen gewisse Dinge im Leben auf emotionaler Ebene verbinden - oder weil man täglich miteinander zu tun hat. Aber nicht, weil man sich hin und wieder nackt in der Sauna trifft! Ich finde Ihre Entscheidung also absolut richtig, wenngleich sie natürlich für den armen George etwas bitter war. Denn gerade da, wo man ausser der eigenen Haut nicht viel hat, um sich seiner Würde zu vergewissern, tut etwas Distanz und Förmlichkeit sehr gut.

Nachtrag vom 27.5.2010 von Leserin Monica H.:
Mit Stil hat es wohl kaum etwas zu tun, wenn jemand ein Buch in der Sauna liest! Ich, eine rege Saunagängerin, war entsetzt, als ich las, dass das gute Buch in der Sauna i.O. sei! Die Druckerschwärze ist sicher Gift in der Sauna. Es ist viel zu heiss! Und wenn jemand unbedingt ein Buch oder gar eine Zeitung in der Sauna liest, sollte aus der Sauna verbannt werden! Also bitte korrigieren Sie Ihre Aussage.

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Jeans mit Löchern?

Vor einiger Zeit vertraten Sie in Ihrer Kolumne die Ansicht, eine Jeans dürfe keine Löcher haben. Nun ist es aber so, dass sich meine Lieblingsjeans (von PRPS) zu so einer «Löcherjeans» entwickelt hat - und ich liebe sie! Vor allem in Kombination mit Boots von Belstaff. Diese Jeans vermittelt mir ein Gefühl von Lässigkeit und Coolness. Doch bin ich damit jetzt wirklich eine «Stil-Legasthenikerin»? Klaudia S., per E-Mail

Stil ist, liebe Klaudia, was man selbst dafür hält. Es gibt also keinen einzelnen, unverbrüchlichen Stil, sondern nur einen Ozean der Stile. Und darin dürfen Sie in alle Richtungen schwimmen. Mit der Jeans ist es - nach meiner Meinung! - so: Wenn sie schon ab Stange Löcher und Flicken hat, ist sie doof und peinlich, weil künstlich auf «Vintage» getrimmt. Wenn sie sich aber durch fortwährende Beanspruchung von selbst aufzulösen beginnt, ist sie authentisch und cool.

Welche Tasche für eine Studentin (der Geisteswissenschaften!)?

Welche Tasche ist die richtige, um Papiere, eine Wasserflasche und meinen Laptop von A nach B zu bugsieren? Ich studiere Geisteswissenschaften auf das Lehramt hin und bin Verbindungsmitglied am Institut für Literaturwissenschaft. Kerstin, München

Studenten sind in diesen Dingen relativ frei, sie leben im narrenfreien Zustand fortgesetzter Adoleszenz. Da drücke ich sogar beim vollen Rucksack die Augen zu. Sonst aber sollten Sie sich diesen Sommer einen ledernen Shopper leisten. Es gibt praktischere Taschen, aber keine modischeren.

Samstag, 15. Mai 2010

Absatz im Büro?

Wie hoch dürfen die Absätze von Businesswomen eigentlich sein? Ich, Kaderfrau (mit guter Figur, Grösse 36), «in den besten Jahren», liebe sehr hohe Absätze und trage sie oft, weil ich mir denke, dass ich mir das in meiner Position leisten kann. Stimmen Sie mir zu? Cornelia O., Bern

Wenn Sie sich absolut sicher sind, dass Sie auch auf Zehn-Zentimeter-High-Heels schadlos die nächsten Stufen der Karriereleiter nehmen, so sind Sie selbstverständlich frei, dieser Leidenschaft auch im Büro zu frönen. Doch wundern Sie sich nicht über irritierte Blicke, denn allgemein gilt in unseren Kulturkreisen eine Absatzhöhe von fünf bis maximal acht Zentimetern für ein klassisches Business-Outfit als schicklich. Zudem sollten weder Ihre Zehen noch Ihre Ferse sichtbar sein. Aber eben, das sind Normen - und wer ist schon normal? Noch etwas sollten Sie bedenken: Ein Paar High Heels dürfte für Ihre Kollegen (und manche Kolleginnen) provokativ genug sein. Halten Sie also, was die weitere Inszenierung Ihrer Weiblichkeit betrifft, den Ball eher flach, und verzichten Sie auf sehr kurze Röcke oder viel Décolleté. Ein einzelner visueller Reiz reicht.

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Geht Mann voran - oder hinterher?

Beim Runtergehen auf einer Treppe geht der Mann voran, damit er die Dame auffangen kann, wenn sie stolpert. Aber was ist beim Hochsteigen? Geht der Mann hinterher, um die Dame auffangen zu können, oder geht er voran, damit er der Dame nicht unter den Rock schauen kann? Christoph M., per E-Mail

Früher war Hinterhergehen verpönt. Heute kommt es ganz aufs Outfit der Dame an. Falls sie einen (kurzen) Rock trägt, sollten Sie vorangehen.

New York - was anziehen?

Ich, 57 Jahre, 158 cm, Teilnehmerin am New York Marathon am 6. November 2010, frage mich: Was ziehe ich in New York an, auf der Reise und im 5-Sterne-Hotel? Margrit G., Uitikon-Waldegg

Sie sind, wenn Sie Marathon laufen, sicherlich körperlich fit und in Form. Das ist eine gute Basis. Zudem wissen Sie sicher, dass es in New York im November unter Umständen durchaus noch spätsommerlich warm sein kann. Also brauchen Sie eine flexible Garderobe. Sie soll leicht sein, damit Sie nicht schon beim Schleppen Ihrer schweren Koffer wertvolle Energie verlieren. Ich würde demnach, abgesehen von Ihrem Sportdress, Folgendes einpacken: Zwei Jersey-Wickelkleider, einmal bunt (für tagsüber) und einmal schwarz (für abends), eine voluminöse Strickjacke, ein grossformatiges Foulard, einen Trenchcoat, flache Ballerinas und ein paar Schuhe mit Absatz, um mit den Wolkenkratzern Schritt zu halten. Damit lässt sich jede beliebige Situation elegant bestreiten, vom Nachmittag im Park bis zum Diner, an dem Sie Ihren Triumph feiern.

Sonntag, 9. Mai 2010

Schlechte Luft

Im Tram setzt sich ein Prachtexemplar von Mann neben mich und lässt lautlos ein fürchterliches Präsent durch den Hosenboden seines massgeschneiderten Anzugs entweichen. Trotz meiner Beinahe-Ohnmacht gilt mein erster Gedanke Ihnen - was tun? Und was, wenn der elegante Herr neben mir im vollbesetzten Theatersaal sich ebenfalls als ein solcher Wolf im Brioni-Anzug entpupst? Iris R., Zürich 

Danke für die exquisit formulierte Frage! Ihr Problem ist delikat, denn offensichtlich werden Herren in Ihrer Anwesenheit von starken Flatulenzen geplagt. Liegt das vielleicht an Ihnen? Spass beiseite: Der Typ im Tram ist natürlich ein rücksichtsloses Monster. Denn in solchen Fällen macht der Gentleman einen diskreten arrêt pupu, steigt also aus, bleibt auf der Haltestelle stehen und leitet dann behutsam die Dekompression ein, während die Strassenbahn davonlärmt. Man verliert so zwar etwas Zeit, aber nicht den Respekt seiner Mitmenschen. Im Theater ist es ungleich schwieriger. Denn wenn die Abluft rausmuss, dann tut sie dies meistens. Pech für Sie, wenn Sie danebensitzen. Atmen Sie eine Weile flach. Und merken Sie sich den Typen, auf dass Sie künftig reagieren können, sollten Sie jemals wieder den Platz neben diesem «König der Lüfte» erwischen. 


Ihre persönlichen Fragen

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Schwanger im Bikini?

Darf man als Schwangere einen Bikini tragen, oder soll man den Bauch unter einem Badeanzug verstecken, da der Anblick für gewisse Leute ein Affront sein könnte? Angelika R., per E-Mail

Wir bewegen uns heute fast textilfrei auf der Ebene des Fleischlichen und Leiblichen, und das gefällt mir so! Aber dass Schwangere ihren Bauch verstecken müssten, weil dessen Anblick irgendwelchen Perversen missfallen könnte, habe ich noch nie gehört. Mir scheint das ganz und gar abwegig, um nicht zu sagen: rückständig und verkorkst. Eine Schwangerschaft ist ein physischer Ausnahmezustand, den es zu feiern gilt, also zeigen Sie Ihre Wölbung mit Stolz, gewiss auch im Bikini!

Wo muss man heute noch Krawatte tragen?

Letzte Woche haben Sie geschrieben, dass eine Krawatte heute kaum noch irgendwo ein Muss ist. Doch wo ist sie denn noch ein Muss? Jörg J., per E-Mail

Immer dort, wo Professionalität und Demut gefragt sind. Also weniger in alltäglichen als in aussergewöhnlichen beruflichen und privaten Situationen. Bilanzpressekonferenz, Empfang hochrangiger Gäste, Vorstellungstermin, Begräbnis, Hochzeit, Gerichtstermin. Hearing im Parlament oder Audienz bei der Queen. Verleihung von Ehrentiteln und elegante Abendveranstaltungen. Doch der Tag, an dem auch die Grübels und Dougans ihre eitlen Leistungsschauen ganz ohne Schlips vollführen, wird kommen.

Freitag, 7. Mai 2010

Wie trägt man Lingerie-Look?

Ich lese des Öfteren vom Lingerie-Look. Doch wie trägt man solch transparentes Zeug, ohne dass es gleich billig aussieht? Angela G., per E-Mail


Sie sprechen ein Thema an, das viele Menschen beschäftigt: Sie bekommen von den Modepostillen zwar oft neue Trends serviert, doch nur selten alltagstauglich erklärt. Da räkeln sich dann halbnackte Sirenen in halterlosen Strümpfen, Chiffonfähnchen und sündiger Wäsche, während vom neuen Wäsche-Stil der Mode schwadroniert wird. Doch so kann man ja nun wahrlich nicht zur Arbeit erscheinen. Unser Rat ist daher: Gehen Sie das Thema mit Umsicht an und «brechen» Sie die zarten Momente aus Spitze und Tüll mit alltäglichen Basics. Man kann einen feinen BH unter einem gerippten Trägertop aufblitzen lassen oder ein halbtransparentes Négligé unter einer offenen Hemdbluse und zu einer währschaften Boyfriend-Hose kombinieren. Ein einzelnes Lingerie-Element reicht meist völlig aus, um Spannung zu schaffen, Sie brauchen keine Effekte zu kumulieren. Es sei denn, Sie möchten sich für den Schweizer Bauernkalender bewerben.

Haben Sie Fragen?

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Von Hand statt per Mail oder SMS!

Sie haben letzte Woche an dieser Stelle für die Anschaffung eines iPads plädiert. Das hat mich doch gewundert, denn wäre es nicht stilvoller, wenn man seine Notizen von Hand schriebe? Katharina E., Bassersdorf

Im Prinzip haben Sie recht: Wenn man anderen Menschen eine Notiz zukommen lassen möchte, ist es sicher elegant, wenn man dies mit personalisierten Korrespondenzkarten und einem guten Schreibwerkzeug tut. Letztere finden Sie ja in bester Qualität bei jener Marke, deren Logo aus sechs Gletscherzungen geformt ist. Man braucht dann aber auch Sekretäre und Dienstboten, um diese Gedankenfetzen auszutragen. Dessen ungeachtet, ist es für mich selbstverständlich, dass man sich auch als stilbewusster Zeitgenosse aller verfügbaren neuen Technologien bedient, um à jour und handlungsfähig zu bleiben. Dazu gehören auch die neuen Tablets, welche in ihrer hastigen digitalen Art natürlich niemals einen schönen Dankesbrief ersetzen, sehr wohl aber eine andere Daseinsberechtigung haben.

Hemd ohne Krawatte?

Mich stören «verwurstelte» Hemdkrägen, die zum Sakko getragen werden. Sie selber sind auf dem Bild neben Ihrer Kolumne auch so abgebildet. Ist das etwa chic? Renate W., per E-Mail


Eine Krawatte ist heute kaum noch irgendwo ein Muss, schon gar nicht unter Journalisten. Viel eher trägt man sie, weil man Lust darauf hat. Das kann auch ein ganz normaler Dienstagmorgen sein! Mich aber mit Krawatte fotografieren zu lassen, wäre mir dann doch zu konventionell. Ihr Stildoktor.