Samstag, 28. August 2010

Ihre Fragen

Ihre Fragen zur Lebensart senden Sie an jvr@nzz.ch - die Zuschriften werden stets weitgehend anonymisiert.

Schöne Einkaufswagen gesucht

Warum gibt es eigentlich keine eleganten Einkaufstrolleys? Sie sind meistens billig, hässlich und machen einen zum Gespött der stilbewussten Zeitgenossen. Sogar bei Lederwarenhändlern ist «Einkaufswägeli» offenbar ein derartiges Unwort, dass die Verkäuferinnen gleich zu kichern beginnen. Urban F., Zürich
 

Mit einem Einkaufswägeli sieht man auf einen Schlag 25 Jahre älter aus. Und das will man nur, wenn man noch nicht volljährig ist. Doch es gibt Hoffnung. Ich habe unlängst leichte und aus zeitgemässen Materialien wie Alu und mattem Nylon-Twill gefertigte Einkaufshilfen gesehen, die sich bei Nichtgebrauch extrem klein machen lassen. Das deutsche Familienunternehmen, das solches herstellt, trägt den Namen Reisenthel, verlangt für seine Produkte recht zivile Preise und ist in der Schweiz in besseren Warenhäusern zu finden. Besonders clever ist der Carrycruiser mit Teleskopgriff und Tragegurt.

Anmerkung der Leserin Fabienne L. vom 5.9.2010: Der Carrycruiser von Reisenthel ist zwar optisch absolut ansprechend, leider aber nicht wirklich praxistauglich. Ich selber habe mich aufgrund des Designs für diesen Einkaufstrolley entschieden, musste aber nach wenigen Wochen feststellen, dass er grosse Nachteile hat. Erstens sind die Räder viel zu klein. Treppensteigen oder die Benutzung des öffentlichen Verkehrs sind nur möglich, wenn man den gesamten Trolley tragen kann. Zweitens ist das Raumvolumen sehr klein - bei grösseren Einkäufen stösst der Carrycruiser schnell an seine Grenzen. Das dritte Problem betrifft den Teleskopgriff: Dieser ist sehr unstabil und schwach und ist nach kurzer Zeit gebrochen (so dass ich den voll beladenen "Wagen" nach Hause tragen musste). Repariert wurde dies übrigens nicht, da es sich nicht lohne.  So habe ich - eine junge Frau, die wert auf Stil und gutes Design legt - nach den Carrycruiser gegen ein "braves" Modell eingetauscht - und bin vollauf zufrieden.

Dürfen Männer Männern Komplimente machen?

Eine Freundin sagt, als Hetero gebe man anderen Männern keine Komplimente betreffend Kleidung oder Aussehen. Stimmt das? Walter B., per E-Mail 

Ihre Freundin tischt Ihnen ganz schlecht riechenden Käse auf! Ein Mann, ob hetero oder nicht, kann anderen Herren ganz zwanglos Komplimente machen, wenn ihm danach ist. Es ist sympathisch, aufmerksam, hellt den Tag auf und zeugt von menschlicher Qualität und Wachheit. Allerdings kommt es ein wenig auf die Situation an. Bei Begegnungen mit Wildfremden ist Zurückhaltung geboten. Doch wer Angst hat, wegen einer netten Bemerkung für schwul gehalten zu werden, lebt noch irgendwo tief in der Mitte des letzten Jahrhunderts.

Hosen ohne Falten, bitte!

Ich trage gerne Anzüge, aber oft sind die Hosen aus so dünnen Stoffen gemacht, dass sie nach einer kurzen Reise oder Sitzung total faltig sind. Ich finde im Handel keine Alternativen. Muss ich mich also wohl oder übel wie Valentin Landmann oder Art Furrer anziehen, also in Jeans und Sakko? Martin W., per E-Mail
 
Die Stoffe der Anzüge, die in den meisten Läden hängen, sind tatsächlich oft etwas dünn. Das sind sie aber nicht, weil die Hersteller zu geizig wären, ordentliche Textilien zu verwenden, sondern weil die Männer mehrheitlich zu verweichlicht sind, ein bisschen Zwirn auszuhalten! Sie glauben schon schwitzen zu müssen, wenn sie einen Flanell oder Tweed von weitem sehen! Darum kaufen sie diese blöden All-Season-Anzüge, die im Grunde gar nichts taugen - für den Sommer zu wollig, für den Winter zu dünn. Freuen Sie sich aber auf diesen Herbst. Er bringt uns wieder Flanell und Tweed!

Sonntag, 22. August 2010

Rock your body!

Unlängst nannten Sie einen Mann, der sein Hemd an zwei aufeinanderfolgenden Tagen tragen wollte, einen «unappetitlichen Schmuddeljungen». Wie werden Sie mich nun nennen, wenn ich Ihnen sage, dass ich meinen Wolford-Body oder Pullover an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Büro trage? Julia J., per E-Mail 

Um Sie mit ähnlichen Schmähungen eindecken zu können, müsste ich mehr über Sie wissen. Ich kann nur mutmassen und behaupte darum: Sie sind über 45 Jahre jung und haben früher gerne Musik von Jennifer Rush und Cher gehört, den Bodysuit-Ikonen der Eighties. Sie liebten Jane Fonda und Jennifer Beals, die Big-Hair-Frauen des Aerobic-Zeitalters. Wer damals hip war, trug diese leicht verruchten Dinger mit hohem Beinausschnitt, am liebsten mit transparentem Brustteil. Heute trägt man solches kaum noch. Es sei denn, man ist gerade 22 geworden und ein grosser Fan von Lady Gaga, die dem Bodysuit jetzt zur Renaissance verhilft. Sie können also wählen: Sie sind entweder ein bisschen von gestern oder gaga. Aber hoffentlich nicht beides.


Ihre Fragen, bitte!

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Wie und wo trägt man noch Zweireiher?

Was ist eigentlich mit dem guten alten Doppelreiher passiert? Kann man heutzutage als gestandenes Mannsbild noch einen Zweireiher tragen, ohne dabei overdressed zu wirken? Oder ist diese Variante des Vestons und Anzugs inzwischen aus der Mode geraten? René M., Oberengstringen 

Haben Sie Geduld, lieber Freund des patriarchal-pompösen Klassikers mit zwei Knopfreihen! Diese Anzugsvariante ist im breiten Handel tatsächlich so etwas von out, dass sie fast ausgestorben scheint. Doch die Avantgarde hat den Zweireiher wiederentdeckt und lanciert ihn kürzer, knapper und figurbetonter für eine neue Generation von Männern. Ob Sie zu den letzteren dazugehören, wissen Sie selbst am besten.

Glaserdbeeren auf dem Nachttisch?

Neulich habe ich auf dem Flohmarkt einige hübsche Glas-Erdbeeren gekauft, die ich nun in einer weissen Porzellanschale auf meinem hellen Holz-Nachttisch stehen habe. Stil oder Kitsch? Eveline S., per E-Mail 
 
Für meine Begriffe klingt Ihre Trouvaille leicht bizarr, aber keineswegs unsympathisch. Sie scheint mir humorvoll, und das ist schon einmal ein Pluspunkt. Im Moment zeigen alle Magazine diesen Mix-and-Match-Einrichtungsstil mit Trouvaillen aus dem Brockenhaus. Ausserdem: Stil ist in Ihren eigenen vier Wänden das, was Sie als solchen empfinden. Mögen es andere kitschig finden - wenn der Anblick dieser Dekoration Ihnen Wohlbehagen verschafft, dann passt sie zu Ihnen. So weit sind wir glücklicherweise noch nicht, dass sich die Stilpolizei bis zu Ihrem Nachttischchen durchschnüffelt...

Sonntag, 15. August 2010

Ein patenter Herbst-Regenmantel, bitte!

Ich bin auf der Suche nach einem schicken und zugleich praktischen Regenmantel, doch der Trenchcoat hängt mir bereits zum Hals raus. Kürzlich sah ich eine Dame in einem lilafarbenen Regenmantel, der irgendwie unschweizerisch aussah, habe es aber verpasst, sie nach dem Fabrikat zu fragen. Katja R., per E-Mail
 

Willkommen im Herbst! Der Sommer 2010 ist Geschichte, und bereits hat uns das kühle Regenwetter wieder. Obwohl ich den Trenchcoat noch nicht so pauschal auf die Müllhalde der Trendgeschichte schieben möchte, glaube ich zu wissen, was Sie da erspäht haben und was «the next big thing in rainwear» wird: ein Mackintosh. Das sind aus gummiertem Baumwolltuch geschnittene und entlang den Nähten komplett wasserdicht verklebte Regenmäntel aus Schottland. Diese wunderbaren, in spannenden Farbtönen erhältlichen Mäntel halten auch wirklich stundenlang dicht. Am besten kaufen Sie ein Modell mit Kapuze. Ich kann aber auch den guten alten, gelben Ostfriesennerz wärmstens empfehlen. Er bringt kräftig Farbe in den grauen Herbst! 

Hat Stilberatung denn Stil?

Mit viel Interesse lese ich jeweils Ihre Kolumne. Ich frage mich aber: Hat die Beratung wildfremder Menschen in Mode- und Lebensfragen eigentlich Stil? Ist es nicht seltsam, anderen Menschen subjektive Ansichten mitzuteilen, obwohl doch jede Person ihren Stil selbst definieren sollte? Oliver A., per E-Mail 
 
Hier geraten wir auf die höhere philosophische Stufe der Stilberatung, und ich komme unter meinem nun bereits etwas schwereren Baumwollpikeehemd von Brooks Brothers leicht ins Schwitzen. Natürlich kann man so snobby sein, seine Erfahrung im Umgang mit dem Zeitgeist ganz für sich zu behalten. Da mein Gewerbe aber keine scharf abgrenzbare Wissenschaft ist und ein hohes Mass an Humor und persönlichem Flair voraussetzt, teile ich mich der Umwelt mit und versuche, anderen Menschen in ganz kleinen, unbedeutenden Dingen des Lebens zu helfen. Sehen Sie es doch einfach als freundliche Handreichung statt als Anmassung oder Einmischung.

Zwei Uhren am Handgelenk?

Micheline Calmy-Rey zeigte sich in China Ende Juni mit zwei Uhren am Handgelenk. Geschah dies in memoriam Nicolas Hayek, oder war es einfach nur ein schwerer Stilbruch?
Jean-Nicolas F., per E-Mail 

 
Ich denke nicht, dass sich unsere Bundesrätinnen als Werbefläche unserer Uhrenindustrie missbrauchen lassen, und glaube deshalb, dass die eine Uhr die Zeit zu Hause anzeigt, die andere die Lokalzeit. Es gibt Uhren, die solches parallel tun, aber die sind meistens nicht gerade ladylike.

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Donnerstag, 12. August 2010

Who do you think you are!?

Mit Begeisterung lese ich jede Woche in der NZZ Ihre Antworten und Anregungen zum Thema Stil.Neulich aber haben Sie sich, muss ich leider so sagen, selbst überschätzt (Vergleiche folgenden Beitrag, Anm. des Autors). Glauben Sie tatsächlich, dass Sie "schuld" daran sind, dass viele Frauen ihre Handtasche in der Armbeuge tragen? Liegt es nicht vielleicht daran, dass viele Schweizerinnen einfach einmal eine "inStyle" lesen oder sich von den  Promis in der "Gala" inspirieren lassen und nicht dem Aufruf von Herrn van Rooijen folge leisten. Es ist schade, dass in Ihrer Anwort an die Leserin Ihre  Ironie, die ich so sehr schätze, nicht ankommt (bei mir jedenfalls nicht). Claudia W., Luzern



Au weia, liebe Claudia - Humor ist ein glattes Feld. Ich meinte schon, dass mein kleiner Scherz damals als solcher gelesen werden würde. Zumindest scheinen es viele - ausser Ihnen - so getan zu haben. Natürlich meine ich nicht allen Ernstes, das Modeverhalten eines ganzen Volkes, und sei es nur das der Schweizer/innen, verändern zu können. Ich bin mir sogar ziemlich bewusst und bekomme es täglich auch vorgeführt, wie nutzlos mein Tun im Grunde ist. Die Leute tun und lassen sowieso, was sie wollen - und wahrscheinlich ist das auch richtig so. Ist ja alles nur ein Spiel! Als solches sollten Sie unbedingt auch meine nächsten Beiträge lesen ...
Mein Freund kam kurzfristig zu Operntickets für die Oper Carmen im Opernhaus Zürich. Wir freuen uns beide riesig. Nur was soll ich anziehen?  Trägt frau Abendkleid? Muss das Kleid bodenlang sein? Schultern bedeckt? Geschlossene Schuhe mit Absatz? Was für eine Tasche? Die Haare hochstecken? Strümpfe oder keine Strümpfe? Trägt man nur schwarz/dunkle Farben in der Oper? Und wie sexy darf es sein? Festlich (dennoch dezent) schminken oder nude Look? Was gibt es sonst für Vorschriften? Ich bin 20, habe lange naturblonde Haare, bin 1.74 m gross, schlank. Da ich in der Ausbildung bin, habe ich kein riesiges Budget um mir ein schickes Abendkleid mit passenden Schuhen und Tasche zu besorgen. Ich bin aber bereit mir etwas dazu zu kaufen. Was gäbe es also für Varianten? Schliesslich will ich mich für diesen speziellen Abend (unser erster Opernbesuch!) richtig rausputzen und schön aussehen. Ich hoffe Sie können mir weiterhelfen. Helena

Es hüpft mein Herz angesichtig der Erkenntnis, dass es noch Menschen gibt, die sich für besondere Momente etwas fein machen wollen! Haben Sie also Dank für Ihre Zuschrift. Ihre kurze Selbstbeschreibung lässt viele Varianten offen: Sie sind gross und schlank und jung, also ist das Feld der Möglichkeiten auch für den Opernbesuch sehr weit. Ein langes Kleid wäre sicher schön und richtig, vielleicht mit einem grossen, hochwertigen Schal. Doch sähe ich auch ein kürzeres Kleid gerne, wenn Sie die Beine dazu haben? Mit oder ohne Stürmpfe ist Ihre eigene, individuelle Entscheidung. 

Wichtig wäre mir nur eines: Schauen Sie auf Qualität. Tragen Sie lieber ein schlichtes Kleid, dafür eines aus hervorragendem Stoff. Und ziehen Sie wenigen, dafür exquisiten Schmuck an. Trauen Sie sich ein Paar richtig hohe Schuhe zu wählen! Einfach, aber sexy. Und bitte: keine langweilige Tages-Handtasche dazu. Stellen Sie auch sicher, dass Ihr Begleiter adäquat aussieht: ein schwarzer Anzug mit Krawatte wäre das Minimum, ein Smoking das Optimum.



SUMMER CHECKUP: Taschentuch aus Stoff?

Ich habe gehört, dass der, der etwas auf sich hält, keine Papier-, sondern Stofftaschentücher benutzt und somit das Taschentuch nicht nur als "Schnuderlumpe" zu gebrauchen ist, sondern als modisches Accessoire zu gepflegter Kleidung gehört. Was meinen Sie dazu, gibt es ein Revival? Marcel F.

Ein eleganter Herr (un auch eine Dame!) sollte, sofern man dafür den Nerv hat, tatsächlich stets ein gebügeltes Stofftaschentuch dabei haben, um sich die Nase zu schnäuzen (oder schneuzen, je nachdem, welche Rechtschreibeversion sie bevorzugen). Weil aber auch das Papiertaschentuch gute Dienste tut und man es leichter auch anderen herumschniefenden Menschen anbieten kann, ist auch ein Päckchen Tempo ein adäquater Begleiter. Verwechseln Sie aber bitte nicht das Schneuztuch mit dem Einstecktuch, das der Mann sich in die Brusttasche steckt und selbstverständlich rein dekorativen Charakter hat.

SUMMER CHECKUP: Oben ohne am Rasenmäher

Mit grossem Vergnügen lese ich Ihre wöchentliche Kolumne. Bei den sommerlichen Temperaturen sehe ich immer wieder Männer beim Rasen mähen oder Gartenwässern, welche diesen Tätigkeiten mit entblösstem Oberkörper nachgehen. Ab einem gewissen Alter und Körperbau ist das fürs weibliche Auge kein Vergnügen mehr. Wie kleidet sich Mann bei diesen Arbeiten stilvoll? Jutta G.

Glücklicherweise neigt sich der Sommer langsam dem Ende zu, sodass die Männer wohl bald wieder so ihren Rasen mähen, wie es sich für einen modernen Gentleman geziemt: im T-Shirt. Und zwar in einem, das mindestens kurze Ärmel hat. Ein kleiner Polo-Kragen wäre auch chic, aber fürs Rasenmähen, das ja praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschieht, würde ich auch eine kleine Ausnahme machen. Ärmellose oder Netz-Shirts sind aber genauso ein No-Go wie mit blosser Wabbelbrust.