Dienstag, 26. April 2011

Im Smoking heiraten?


Ich habe mich dazu entschieden, im Smoking zu heiraten. Insbesondere deshalb, weil mich die 08/15-Hochzeitsanzüge nicht wirklich begeistern konnten. Trägt man ihn mit oder ohne Kummerbund (schwarz)? Ist es angebracht, ein weisses Einstecktuch dazu zu tragen? Und zu guter Letzt: Ist heiraten im Smoking okay? Christiano U., per E-Mail

Darf ich von hinten her anfangen? Dann muss ich Ihnen erst einmal dringend vom Smoking abraten. Den trägt man nämlich nur nach Sonnenuntergang. Wenn Ihre Hochzeit gegen den späteren Mittag stattfindet, würde ich ein Auge zudrücken, aber am Vormittag wäre dieser Abendanzug ein totaler Fauxpas. Dann sollten Sie den «morning coat» tragen (Cutaway mit Weste) oder einen dunklen Anzug. Abends zum grossen Fest ist der Smoking aber top, und dann gehört alles dazu, also ein Kummerbund und eine Fliege aus schwarzer Seide (keine Farben) sowie ein glattes weisses Einstecktuch. Am Hemd (mit verdeckter Knopfleiste) trägt man Manschettenknöpfe, und: Auch die hochglanzpolierten schwarzen Schuhe nicht vergessen!

Gewurstelkrawatten?

Ich trug bei einer Hochzeitsfeier vor nicht allzu langer Zeit eine Schalkrawatte, las nun aber, dass Sie diese «Gewurstelkrawatten» zum Hochzeitsanzug schrecklich finden. Ich bin verunsichert und frage Sie: Muss ich zur «normalen» Krawatte wechseln, um stilvoll auszusehen? Pascal M., Solothurn

Was Sie gerne tragen, nennt man eine Ascot- oder Schalkrawatte, manchmal auch Gavroche, und die ist sehr elegant und fein. Sie wirkt unkonventionell und etwas intellektuell, aber trotzdem festlich. Aber was ich meine, sind diese glänzenden, ab Fabrik in dramatische Falten gelegten, breiten Plastron-Bastarde, die man den Männern in vielen Hochzeitsgeschäften um den Hals bindet. Sie sehen aus wie Requisiten aus einem Achtziger-Jahre-Kostüm-Pornofilm.

Ein guter Hochzeitsanzug

Ich heirate und bin ziemlich verzweifelt über die uninspirierte Mode für Bräutigame. Wo bitte finde ich freche und elegante Männermode mit einem gewissen Etwas, die sich sowohl an einer Hochzeit als auch an einem edlen Anlass im Alltag tragen lässt? Remo R., Bern
 
Sie sollten an Ihrer Hochzeit so gut wie möglich aussehen. Also lassen Sie sich einen schlanken, schmalen Einknöpfer mit Spitzrevers beim geübten Masskonfektionär machen. Ein solcher Anzug hat modischen Schliff, trotzdem eine leicht festliche Note und taugt so später auch zu einem weniger hohen Fest. Wenn Sie mögen, können Sie das Sakko auch separat zu Jeans oder schmalen Bermudas tragen. So eine Anschaffung kostet Sie kaum mehr als ein guter Anzug ab Stange.

Sonntag, 17. April 2011

Blumen statt uninspirierte Barspende



Es scheint in Mode gekommen zu sein, zu einem Geburtstagsfest möglichst viele Leute einzuladen und ihnen dann mitzuteilen, dass sie nichts mitbringen müssten, man aber eine Bargeldspende an eine vom Gastgeber genannte Institution erwartet. Ich halte davon überhaupt nichts, da so der Sinn des Schenkens missbraucht wird. Claus G., Zufikon

Wahrscheinlich haben Menschen, die solche Einladungen aussprechen, schon alles zu Hause und fürchten, von ihren Freunden mit unnützem Krimskrams zugedeckt zu werden, den sie dann wieder ins Brockenhaus bringen müssen. Es steht Ihnen jedoch frei, solche neumodischen Aufforderungen zum kollektiven Guttun einfach zu ignorieren, indem Sie mit einem absichtlich riesigen Blumenstrauss auftauchen und so tun, als hätten Sie von alledem nichts gewusst. Das ist alleweil eleganter, als verkniffen und widerwillig etwas in einen Topf zu geben, der einem nicht geheuer ist. 

Nachtrag vom 17.4.2011 von Leserin Esther G.:
Ich feiere gerne Geburtstagsparties und freue mich, wenn mein Umfeld mir zum Geburtstag bzw. zum Anlass etwas Gutes tun will. Am meisten freue ich mich, wenn ich etwas sinnvolles im Tierschutz machen kann. Also wünsche ich mir von meinen Gästen seit Jahren jeweils einen finanziellen Beitrag zum Tierschutz. Kann ich dann mit dem Betrag ein paar Kastrationen von Streunern finanzieren, ein Pferd vor dem Schlachter retten oder Arbeitsesel in Tanzania medizinisch versorgen lassen, ist meine Freude gross. Ein riesiger Blumenstrauss wäre das letzte, was mir Freude bereiten würde. Das bewusste ignorieren meiner Bedürfnisse, erachte ich als ausgesprochen stillos und nimmt mir jegliche Freude am beschenkt werden.
 

Nachtrag vom 17.4.2011 von Leser Bruno M.: 
Die Idee des Schenkens liegt im Freude bereiten des Empfängers (!) und nicht in der Selbstbefriedigung des Schenkers. Wie oft hat wohl jeder in seinem Leben erlebt, dass er etwas bekommen hat, das zwar dem Schenker gefiel, aber nicht dem Beschenkten. Wenn dem Schenkenden das Freude machen "widerwillig" ist, dann soll er es besser gleich sein lassen und offen dazu stehen. Es erscheint mir dann doch etwas anmassend und arrogant zu wirken, wenn nun der Schenker das Gefühl hat, er wisse es besser (!), was dem Beschenkten zu gefallen und zu passen hat. Ihr Vorschlag, einen riesigen Blumenstrauss zu bringen, endet oft mit der Peinlichkeit, dass der Beschenkte den Blumenstrauss in die Badewanne stellen muss, weil gerade die passenden Vasen entweder in der Grösse oder in der Anzahl nicht vorhanden sind. Ein intelligenter Schenker würde dann am Besten gleich die passende Vase mitschenken.

Ihre Fragen, bitte.

hre Fragen senden Sie an jvr@nzz.ch. Die Zuschrfiten werden in jedem Fall teilanonymisiert.

Papier- oder Stoffserviette?

Mein Mann und ich sind uns nicht einig, ob eine Papierserviette auch wie eine Stoffserviette während des Essens auf den Schoss gehört oder auf dem Tisch liegen bleiben darf. Ich bevorzuge letztere Variante, da die leichten und kleinen Papierservietten oft auf dem Boden landen und ich nicht ständig unter dem Tisch danach suchen möchte. Regula S., Aarau

Ich stimme Ihnen da zu: Eine Stoffserviette hat Würde und Schönheit, und Sie schützt im Fall einer Panne auch wirklich vor Flecken. Deshalb legt man sie zum Essen auf den Schoss bzw. steckt sie (als Mann!) für bestimmte «schwierige» Speisen in die Knopfleiste des Hemdes. Eine Papierserviette dient jedoch bestenfalls dazu, sich nach dem Essen den Mund abzutupfen, und deshalb bleibt sie bis zu diesem Moment auf dem Tisch liegen. Nach Gebrauch legt man sie auch wieder dorthin, nicht etwa in den Teller.

Tee statt Kaffee

Bei Einladungen wird nach dem Essen oft die Frage gestellt, ob man einen Kaffee möchte. Fragt man dann aber nach einer Tasse Tee, bringt dies den Gastgeber in Verlegenheit. Dann wird in den Schubladen herumgekramt, bis sich irgendwo noch ein muffiger Teebeutel von der letzten Grippe zeigt. Darf ich mir daher erlauben, meinen eigenen Tee mitzubringen und um heisses Wasser zu bitten? Mary I., per E-Mail
 
Sie sind offensichtlich eine Tee-Feinschmeckerin, und als solche sollten Sie auch ausser Haus nicht auf Ihren bekömmlichen Heisswasser-Digestif verzichten müssen. Ich würde Ihr Verhalten deshalb höchstens als keck, aber keinesfalls als dreist oder falsch bezeichnen. Der Gastgeber ist ja selber schuld, wenn er nicht mit Teetrinkern rechnet, so selten sind diese ja nun auch wieder nicht! Eine Idee: Verschenken Sie doch bei Einladungen immer eine feine Dose guten Tee. Dann können Sie zum Ende des Dinners vielleicht gleich von Ihrer Grosszügigkeit profitieren.

Sonntag, 10. April 2011

Pliage-Tasche für den Mann?


Geht es, dass Männer (im Anzug oder in Freizeitkleidung) den grossen Sac pliage (von Longchamp) als Sport- oder Einkaufstasche rumtragen? Sind allenfalls die in dunkel gehaltenen und weniger konischen Modelle gangbar? Sylvie H., Zürich

Diese klein faltbaren Nylontaschen sind vorzügliche Alltagsbegleiter für Damen jeden Alters, und sie werden auch von Teenagern gerade sehr geschätzt. Allerdings finde ich auch, dass es für Herren sehr viel passendere und maskulinere Transportbehältnisse gibt, etwa robuste Shopper aus Canvas oder Leder. Es sei denn, ein Mann will bewusst feminin wirken oder ein Anti-Statement zu seinem hohen Testosteronwert machen.
Auf Partys werden oft Häppchen auf Baguette-Scheiben gereicht. Ich erlaube mir des Öfteren, lediglich den Belag, also die Scheibe Rohschinken, die Lachstranche usw. zu essen und die Weissbrot-Unterlage diskret auf der Serviette oder dem Teller zurückzulassen. Letzten Samstag wurde ich von Freunden deshalb scharf gerügt. Entweder man bediene sich und esse auf, oder man lasse es bleiben. Verstosse ich gegen die Canapé-Etikette? Sandro M., per E-Mail

Sie sind mir ja ein ganz Wilder, ein Partyhäppchentrenner - so etwas habe ich noch nie erlebt! Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie Sie mit spitzen Fingern die Wurst vom Brot klauben, schüttle mich und denke: Natürlich wurden Sie völlig zu Recht getadelt! So etwas macht man nicht. Sind die Speisen widerlich, lässt man die Finger ganz davon, statt sie in ihre Einzelteile zu zerlegen.

Gute Sachen, fairer Preis?

Wenn ich in Modegeschäfte gehe, ärgere ich mich oft über die lausige Qualität der Kleidung. Dabei sind es häufig Top-Modemarken, deren Hemden bei mir den Eindruck hinterlassen, dass es nicht mehr als bunte Baumwoll-Lumpen zu einem unverschämten Preis sind. Die Stoffe fühlen sich schlecht an, und die Verarbeitung lässt zu wünschen übrig. Andere Labels, die sich etwa auf Hemden spezialisiert haben, bieten für viel weniger Geld meist absolut erstklassige Qualität. Warum kann ich dies nicht auch von den Top-Modemarken erwarten?  Christian A., Unterterzen

Sie sprechen ein ganz gravierendes, meiner Meinung nach sogar systemrelevantes Grundproblem der Modebranche an. Denn natürlich machen auch heute noch diejenigen Hersteller die besten Angebote, die sich auf einen ganz bestimmten Artikel spezialisiert haben und diesen aus dem Effeff beherrschen. Bei solchen Anbietern bekommt man oft ein überragendes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Allerdings wollen die Leute heute nicht mehr wirklich gut gemachte Sachen, sondern hippe Marken mit hohem Statuswert. Und das nutzen diese aus, indem sie den Kunden Dinge verkaufen, die zwar für jeden halbwegs urteilsfähigen Menschen ihr Geld erkennbar nicht wert sind, aber auf anderen Wegen «begehrenswert» gemacht werden. Und die einfach nur schamlos überteuert sind. Ich applaudiere Ihnen, dass Sie zu jenen gehören, die sich nicht so leicht hereinlegen lassen.

Sonntag, 3. April 2011

Frollein, bitte Service!


Wie ruft man denn korrekt nach der Kellnerin, wenn man bestellen oder zahlen möchte? Hier in Deutschland fällt einem ausser «Frollein», «Bedienung», «Oberin» nichts Gescheites ein. Bitte um fachkundigen Rat. Erich T., Martinsried (Deutschland)

Im Grunde ruft man im Lokal gar nicht, sondern begnügt sich mit Handzeichen. Gutes Personal wird ein solches nicht übersehen. Ich habe Ihre Frage aber an eine junge, schlagfertige Kellnerin weitergereicht, die Folgendes erwiderte: «Alles, ausser .» In der Schweiz ruft man öfter auch «Service!», das ist eine Spur eleganter als Ihr barsches «Bedienung!». Wenn Sie Fremdsprachen beherrschen, können Sie sich auch des französischen «Mademoiselle» bedienen. Das heisst zwar am Ende auch nur Fräulein, klingt aber feiner.

Ab wann trägt man Leinenhemden?

Ich habe mir vor kurzem langarmige Leinenhemden gekauft. Ab welcher Jahreszeit bzw. Temperatur kann man diese tragen? Vermutlich trägt man nichts darunter. Womit kombiniert man sie? Und wenn wir schon dabei sind: Kann man Jeans und Chinos dazu tragen? Daniel S., Birmenstorf (AG)
 
Viele unserer Leser schicken mir neuerdings Fragenkataloge statt einzelner Themen. Ich werde mir also ab kommender Woche erlauben, solche Konvolute auf kleinere Portionen einzudampfen. Also: Leinenhemden trägt man nördlich der Alpen etwa ab Ostern, weiter nördlich erst nach den Eisheiligen. Am angenehmsten sind sie ohne Unterhemd. Sie passen gut zu entspannten, unstrukturierten Baumwollsakkos oder feinen Strickjacken sowie ganz problemlos zu Jeans und Chinos. Im Zuge der «Casualisierung» der Klassik werden auch immer öfter Reinleinen-Hemden zu Business-Anzügen gezeigt - doch das ist schon eher etwas für Fortgeschrittene.

In welchen Kleidern zum Vorstellungsgespräch?

Ich (24 Jahre, Grösse 38) bin am Ende meines Studiums (Primarlehrerin) angekommen und habe nun einige Vorstellungsgespräche. Das Problem ist nur, ich weiss nicht, was ich dazu anziehen soll. Einerseits möchte ich nicht zu elegant aussehen, denn manchmal muss ich auch mit den Kindern in den Wald gehen, anderseits will ich auch nicht zu leger angezogen sein. Annina S., per E-Mail

Gratuliere zum Abschluss des Studiums - wie man so hört, sind Lehrpersonen gesuchte Mangelware und können sich ihren Job fast nach Belieben aussuchen. Da sollte Ihr Einstieg ins Berufsleben sicher nicht am Outfit scheitern. Ich will Ihnen, in Unkenntnis Ihres Lebensstils, nicht zu einem bestimmten Look oder einer Marke raten, sondern zu einer Haltung, die mir immer wichtiger erscheint und jeden etablierten Kodex obsolet macht: Seien Sie sich selber. Individualität ist das höchste Gut freier Hochkulturen, also hören Sie auf den Bauch, nicht auf den Kopf. Nur eines sollten Sie schon tun: Geben Sie sich ein wenig Mühe. Versuchen Sie, gut auszusehen. Das stärkt auch Ihr Rückgrat fürs Bewerbungsgespräch.

Ihre Fragen, bitte.

Senden Sie mir Ihre Stilfragen unter jvr@nzz.ch - Die Zuschriften werden im Falle einer Beantwortung auf Wunsch weitgehend anonymisiert.