Mittwoch, 31. August 2011

Dieser Blog zieht um - neu auf NZZ Online

http://hatdasstil.blog.nzz.ch/


Liebe User, die Zeit des klandestinen Wordpress-Daseins ist vorbei, ab sofort ist die Beratungsrubrik "Hat das Stil?" Teil des offiziellen Online-Netzwerks von NZZ Online, und zwar hier.

Weitere wöchentliche Updates zu Mode & Stil finden sich seit Anfang September 2011 hier: http://laufsteg.blog.nzz.ch/ - bitte  bookmarken!

Auf bald bei der NZZ - Ihr Dr. Style

Montag, 29. August 2011

Welche Rocklänge für "petites"?



Illustration: Gisela Goppel.

Ich habe ein schlichtes, elegantes Kleid gekauft. Es hat breite Träger, und das Material fällt sehr gut. Das Kleid ist gerade geschnitten, aber doch leicht figurbetont. Es reicht mir bis zu den Knöcheln. Da ich es leider nur bis auf eine Körpergrösse von 1,60 Metern geschafft habe, stellt sich die Frage: Welche Länge passt zu mir? Ich möchte schon, dass das Kleid als langes Kleid wahrgenommen wird. Wo soll der Schneider oder die Schneiderin die Schere anbringen? Ausserdem gehört noch ein Umhang zum Binden zum Kleid, der die weiblichen Rundungen kaschieren sollte. Ist dieser Hüftumhang stylish, oder soll ich diesen lieber im Schrank lassen? Sandra W., per E-Mail


Die Sache mit den Rocklängen ist eine komplexe, denn immer öfter entscheidet nicht die Konvention, sondern die physische Verfassung darüber, was noch bzw. nicht mehr geht. Mit dem Alter, der Kleider- und Körpergrösse alleine ist kein Entscheid zu fällen, es kommt auch auf Beine, Po und Allüre an. Was ich persönlich nie mag – doch das soll man mir bitte nicht als apodiktisches Urteil für alle Zeiten auslegen! –, sind knöchellange Röcke und Kleider. Sie sehen meist spiessig aus und verkürzen die Proportion, was in Ihrem Falle nicht besonders günstig wäre. Wenn schon lang, dann richtig, und zwar bis zum Boden – oder sonst etwas kürzer, am besten bis zur Oberkante des Wadenmuskels oder knapp unters Knie. Das Wickelteil scheint mir clever, damit kann man spielen und auch das eine oder andere kaschieren.

Was trägt man zum Apéro prolongé?

Ich bin zu einem «Apéro prolongé» eingeladen. Welche Kleidung passt zu diesem Anlass, und wie zeige ich mich erkenntlich, wenn keine Geschenke erwünscht sind? Ruth K., Kriens


Zu einem Apéro, auch prolongé, ist kein langes Kleid nötig, es darf auch etwas kürzer sein. Schön sind nicht zu strikte, sondern etwas verspieltere Modelle, etwa mit einem schwingenden Rockteil oder einem weich fallenden Drapé. Das Kleid kann dunkel oder bunt sein, ganz wie Sie mögen – doch vermeiden Sie auf jeden Fall diese grässlichen Tafte, aus denen billige Cocktailkleider oft sind. Wenn der Schnitt gut ist, kann das Material sehr zurückhaltend sein. Betreffend der Geschenke: Wenn explizit keine Geschenke erwünscht sind, würde ich mich am Tag darauf mit einer handgeschriebenen Karte für die Einladung bedanken.

Ihre Fragen - und das Buch zur Kolumne!

Ihre Fragen senden Sie an jvr@nzz.ch. Im September erscheint das Buch zur Kolumne bei NZZ Libro – jetzt hier vorbestellen!

Wo gibt's funktionale Wanderhosen?

Kürzlich versuchten wir, eine Wanderhose zu kaufen. Wir machen mehrstündige Wanderungen und legen Wert auf angenehmes Material sowie auf eine gute Passform. Zu unserem Erstaunen aber ist wie bei modischen Girlie-Hosen auch der Bund von Wanderhosen Richtung Schambein gewandert. «Ist halt jetzt Mode», sagte uns der Verkäufer. Der kratzige Stoff wurde mit «technischem Material» entschuldigt. Kann man das Hirn bei Sportbekleidungsdesignern reaktivieren? Malitha L., per E-Mail




Ich würde in erster Linie meinen, dass Sie einen jämmerlichen Verkäufer erwischt haben. Beziehungsweise ein schlechtes Geschäft. Oder beides? Für Sportbekleidung, die nicht nur flott aussehen, sondern vor allem auch etwas aushalten muss, würde ich dazu raten, den altmodischen Spezialisten aufzusuchen. Manchmal muss Kleidung einfach keine modischen Ansprüche markieren. Ohne dieses Metier jetzt bis zum letzten Winkel zu kennen, würde ich folgende Marken als kompetente Versorger für Kraxlerinnen wie Sie nennen: Mammut, Löffler, Salewa, Jack Wolfskin, Haglöfs, Schöffel oder Arcteryx. Die Aufzählung ist natürlich nicht abschliessend, Ergänzungen und Erfahrungsberichte werden gerne nachgeführt.


Nachtrag vom 29. August 2011 von Ulrike J. aus Riehen:
Für Damen gibt es die Marke Allsport aus Oesterreich, ausgezeichnetes Design, sehr gute Schnitte, gut kombinierbar und - vor allen Dingen - hervorragende Passform. Ich bin nicht mehr ganz jung und auch nicht magersüchtig, fühle mich in den Kleidungsstücken sehr wohl.


Nachtrag vom 29. August 2011 von Reto F.:
In der Beratung gingen die Trekkinghosen von Wild Roses vergessen. Als einziger Herstelelr einer reinen Frauen-Outdoor-Linie ist es deren Spezialität, Frauen zu bedienen, die sich nicht mit den maskulinen Schnitten und langweiligen Styles der üblichen Sportswear begnügen.

Nachtrag vom 30. August 2011 von Silvia G.:
Ich hatte genau das gleiche Problem - Bei den Frauenabteilungen keine Chance. Ich habe dann einfach mal bei den Herren geschaut und bin schnell fündig geworden. Ich habe nun eine tolle Wanderhose mit normalen Bund superangenehmen Material und sitzt perfekt. Die meisten Sportbekleidungen sind ja mittlerweile unisex.

Sonntag, 28. August 2011

Visual Update



Liebe User,

Aufgrund der layouterischen Veränderung des Trägertitels "Stil" in der NZZ am Sonntag von heute Sonntag, 28. August 2011 ist es mir nicht wie gewohnt möglich, die Kolumne an dieser Stelle taufrisch zu aktualisieren. Ich bekomme den Text nicht aus der Bildansicht des Viewers von NZZGlobal. Also gibt's derweil nur einen Screenshot des neuen "Stil"-Magazins und eine Ansicht der neuen, aufgewerteten Seite mit den tollen Illustrationen von Gisela Goppel. Und dazu die Empfehlung, sich heute doch einfach die NZZ am Sonntag zu kaufen, um diese Premiere zu sehen.

Herzlich, der Stilkdoktor


Montag, 22. August 2011

Ferienflirt: Spontan oder perfekt geplant?

Ich (weiblich, 30) werde erstmals einen gemeinsamen Urlaub mit meinem besten Freund (35) verbringen. Dass es dabei zu mehr als nur freundschaftlichen Kontakten kommen wird, ist uns beiden unterschwellig bewusst. Ich erachte es als höflich, meinen Begleiter im Vorfeld darauf anzusprechen, ein Teil meiner Freundinnen fände dies jedoch indiskret. Was halten Sie von meiner Idee? Natasja U., per E-Mail


Um Himmels willen, Sie sind mir aber ein schöner Kontrollfreak! Wer will schon gerne das lustvolle Prickeln des Unerwarteten gegen planbare Sicherheit tauschen? Wenn Sie diese Spannung jetzt schon lösen, dürfte Ihr erster Kuss (und alles Weitere) wohl in etwa so spontan und zügellos werden wie der steife Hochzeitskuss von Charlène und Albert von Monaco! Ich meine: Lassen Sie es geschehen, vielleicht kommt es ja doch ganz anders. Aber sorgen Sie auf jeden Fall vor: Nehmen Sie etwas Nettes für drunter und etwas Schutz mit auf die Reise. Bon voyage et plaisir!

Sonntag, 21. August 2011

Kann man Krawatten mit Tiermotiven tragen?

Hat es Stil, wenn ich Krawatten mit kleinen Täubchen- und Schäfchen-Motiven trage, wenn diese von Hermès sind und ein kleines Vermögen gekostet haben? Oder ist das keine Rechtfertigung für fragwürdige Krawatten? Marcel M., per E-Mail

Ich kann Sie beruhigen, denn ich weiss, dass laut internationaler Stilrichtbarkeit genau diese Firma weltweit die einzige ist, welche die sonst unter keinen Umständen eleganten Motiv-Krawatten herstellen darf. Meistens sind die abgebildeten Tierchen, der Tradition des einstigen Sattlereibetriebs folgend, kleine Pferdchen. Alberne Comic-Figürchen bekommt man aber auch bei Hermès nicht.




Ein möglicher Hochzeitsanzug

Ich bin zu einer Hochzeit eingeladen und habe mir einen schmal geschnittenen, nachtblauen Anzug von Neil Barrett gekauft, den ich mit schwarzen Schuhen, schwarzem Gürtel, weissem Hemd und einer grauen Fliege zu tragen gedenke. D'accord? Philippe G., Bern


Mais oui Monsieur, das klingt so weit ganz vernünftig, und das Bild, welches Sie mir netterweise zur Beurteilung Ihres Falls mitgeschickt haben, lässt Hoffnung aufkommen, dass Sie in diesem Aufzug zu den eleganteren, adäquat angezogenen Hochzeitsgästen gehören werden. Zwar hat Ihr Sakko ein Satinrevers und zitiert damit den Smoking, den man nur abends tragen soll, aber in einer modischen Interpretation würde ich ihn auch als feierlichen Tagesanzug durchgehen lassen. Das schmale Hemd ist gut, die verdeckte Knopfleiste lässt die selbst gebundene Fliege prominenter wirken. Vergessen Sie bitte nicht, Ihre Schuhe am Morgen des Ereignisses frisch zu putzen. Und senden Sie mir dann bitte auch ein Bild vom Fest!

Sonntag, 14. August 2011

Heute in der NZZ am Sonntag - Leserbrief

Da hüpft das Herz - danke für diese positive Reaktion, heute Sonntag, 14.8.11 erschienen auf der Leserbriefseite der "NZZ am Sonntag". Und hiermit sei schon verraten: Im September erscheint das Buch zur Kolumne "Hat das Stil?" - 200 Fragen und Antworten zur kultivierten Lebensart, Verlag NZZ Libro.


Samstag, 13. August 2011

Was sind das für Typen, die heute "preppy" tragen?

Ich (52-jährig, in einem anspruchsvollen Bürojob tätig) trage eigentlich ausschliesslich gestreifte und karierte Hemden von Tommy Hilfiger. Mir fällt aber auf, dass diese Marke auch von jungen Männern aus dem südosteuropäischen Raum getragen wird. Ich würde deshalb gerne wissen, was man als Träger von Marken wie Hilfiger, Gant oder Polo Ralph Lauren ausstrahlt?
Thomas W., per E-Mail


Ich hoffe doch sehr, dass Ihr Selbstbild gefestigt genug ist, um vom Umstand, dass auch andere, von Ihnen vielleicht weniger idealisierte Zeitgenossen «Ihre» Marke auch schätzen, nicht erschüttert zu werden. Die genannten Marken sind bekannt für einen sogenannten Neo-Preppy-Stil, der sich aus der (ehemaligen) Kleiderordnung der Elite-Universitäten der «Ivy League» an der amerikanischen Ostküste nährt. Dieser Stil folgt einer bürgerlichen Kleiderordnung mit freizeitlichem Flair und ist wohltuend spiessig. Er spricht breite Bevölkerungsschichten an - nicht gerade die extrem modischen, aber sicher solche, die einen gewissen stilistischen Anspruch markieren wollen. Dazu gehören - teilweise - auch die bei uns lebenden, modebewussten Youngsters aus dem Balkan.

Wo legt man während eines Essens die Clutch ab?

Als Dame mit modischem Anspruch geht man mit einer Clutch aus. Nur: Wohin lege ich das edle Stück im Restaurant? Darf man sie auf den Tisch legen, oder gehört sie auf die Knie? Auf die Gefahr hin, dass sie unter den Tisch rutscht? Elisabeth S., Zürich

Nach der klassischen Lehre gehört nur das Essen (sowie Geschirr, Besteck und Getränke) auf den Tisch, die Handtasche hingegen kommt auf einen freien separaten Stuhl oder, wenn die Tischrunde gedrängt ist, auf den Schoss. Das sieht zwar etwas bemüht aus, ist aber immer noch wesentlich besser, als sie hinter sich zwischen den Po und die Stuhllehne zu quetschen. Dann nämlich sitzt man den ganzen Abend steif wie ein Stock da. Auf den Fussboden gehören übrigens nur Kurier- und Einkaufstaschen.

Replik von Leser Ralf B:
Ihre Artikel lese ich gerne - bezüglich der Sache mit den Clutches bzw. Handtaschen, lässt sich das Problem teilweise einfach lösen. Als Reedereiagentur haben wir ein passendes Kundengeschenk für Damen, und dies ist der Handtaschenhalter. Das Teil ist etwa so gross wie ein Fünffrankenstück, nur etwas dicker. Der äussere Rand ist eine Kette und lässt sich aufklappen; am Ende ist ein Haken. Der mittlere Teil, etwa so gross wie ein Zweifränkler, ist unten mit Gummi beschichtet und damit rutschfest. Das Stück ist aus verchromten Stahl. Leider lässt sich das Problem mit diesem Hilfsmittel allerdings nur für Handtaschen mit Griff lösen...

Replik von Leser Charles von B. aus Bern:
Nun ja, z.B. in Tunis, Kiew, Paris und Almeria haben wir eine andere Lösung erlebt. Dort stellten nämlich die Kellner ungefragt und selbstverständlich einen kleinen Beistelltisch oder ein eigens dafür gebautes Bänklein hin. In Tunis half ein eigens dafür gefertigter Haken aus Messing, der durch Adhäsion auf der Tischplatte bleibt und die Tasche sicher hängen lässt. Finden Sie nicht auch, den Wirtsleuten der Eidgenossenschaft sei dieser kleine Rat zu geben?

Wie entledigt man sich der Olivensteine?

Mein Mann und ich hatten bei einem Glas Weisswein, das mit Oliven serviert wurde, eine Diskussion: Was macht man mit den Olivensteinen? Soll man sie in die Faust spucken und dann diskret im Aschenbecher bzw. in der Serviette entsorgen, falls es kein Tellerchen für die Steine hat? Nic K., Oberrieden

Korrekt, Ihr Instinkt täuscht Sie nicht: Oliven werden üblicherweise mit einem Holzspiess zum Mund geführt, den abgekauten Stein spuckt man anschliessend (geräuschlos!) in die Kuhle zwischen Daumen und Handrücken und legt ihn auf einer Serviette ab. Noch besser wäre ein separates Gefäss. Wer Oliven (und seine Gäste) wirklich mag, reicht immer ein leeres Schälchen dazu.

Sonntag, 7. August 2011

Wie trägt Mann eine Fliege?

Ich ziehe den Querbinder der herkömmlichen Krawatte vor. Dabei möchte ich keine stilistischen Fehler machen und frage Sie, worauf man beim Tragen der Fliege zu achten hat und welches Hemd sich am besten eignet. Yves Z., per E-Mail

Ich bitte Sie – wenn Sie schon gerne kreativ rüberkommen wollen, dann wagen Sie auch etwas! Wer sich selbst in eine Linie mit Winston Churchill, Hercule Poirot, Walter Gropius oder Alber Elbaz einreihen will, kann sich nicht allen Ernstes um das Vermeiden «stilistischer Fehler» kümmern, sondern formuliert sein eigenes Handbuch der Eleganz. Tragen Sie also mutig Schleifen mit Mustern und Motiven - am besten zu unifarbenen Hemden. Oder unifarbene Fliegen zu gestreiften und karierten Hemden.

Wie sollte eine E-mail-Adresse lauten?

Wie hätte eigentlich eine akzeptable, persönliche E-Mail-Adresse auszusehen? Vor allem die Wahl der Domain fällt mir schwer, denn ich finde den eigenen Nachnamen anmassend, aber Adressen «ab Stange», etwa Gmail oder gar Hotmail, auch nicht stilvoll. Was empfehlen Sie? Niklas D., per E-Mail

E-Mails sollten, wenn man nicht auf der Flucht vor der Obrigkeit ist, so kurz und prägnant wie möglich sein, und am besten auch logisch. Ich bin sehr für vorname.nachname@provider.com, benutze aber auch gerne die in der Fussnote angefügte kurze Variante mit Initialen. Den eigenen Nachnamen als Domain zu führen, ist sicher nicht falsch, aber nicht mehr so exklusiv und aufsehenerregend wie einst. Gmail, GMX, Mac, Bluewin und dergleichen sind akzeptabel. Etwas anders verhält es sich mit Yahoo und Hotmail, das sieht doch mehr nach einer geheimen Flirt-Adresse eines Halbwüchsigen statt nach erwachsener elektronischer Post aus. Zu sehr um Geschwindigkeit und Sparsamkeit bemüht wirken Zusätze wie hispeed.ch oder freenet.ch. Das klingt fast wie compuserve.com, der Pionier der Internet-Steinzeit.

Replik von Leser Gerhard R.:
Ich geniesse Ihre Kolumne – Gott sei Dank gibt es noch jemanden in der Schweiz, der sich öffentlich für guten Stil einsetzt! und bin mit Ihnen meist einer Meinung. Was E-mail-Adressen angeht, habe ich hingegen eine andere Sichtweise. Wir dürfen davon ausgehen, dass jede Art von Adresse die gleiche Funktionalität aufweist. Das Wort Steinzeit ist also nicht angebracht, weil es auf eine technische Unterlegenheit hinweist, die nicht zutrifft. Was noch viel wichtiger ist: Tradition ("Steinzeit") respektive "Kulturerbe" ist ein wichtiger Bestandteil guten Stils. Über eine Adresse aus der Internet-Steinzeit zu verfügen, zeugt also von Traditionsbewusstsein, Pioniergeist und eben... Stil. Und Adressen, die nicht mehr ausgegeben werden, sorgen für Exklusivität. pop.agri.ch war etwa der erste Schweizer Mail-Provider. In der Zwischenzeit hat dieser mehrmals den Namen gewechselt (heute "green.ch"), das kleine Häufchen derjenigen, die noch immer pop-agri-Benutzer sind, erkennt sich untereinander wie die Besitzer von tiefen Kantons-Kennzeichen (bloss dass man diese Nummern für profanes Geld haben kann, was wiederum stillos ist, einzig die vererbte tiefe Nummer kann man noch gelten lassen).

Menu fixe

Wir wurden kürzlich privat zum Diner in ein exklusives Sternelokal eingeladen. Am Tisch hiess es dann zu meiner Enttäuschung, dass das Menu schon bestimmt sei. Gehört sich das? Dunja W., per E-Mail
 
Es kommt ein wenig darauf an, wann und wie man Ihnen als Gast diese kleine «Freiheitsberaubung» vermittelt. Wenn man der Einladung vorab hinzufügen würde, dass sich die Runde den Launen des dekorierten Küchenchefs hinzugeben gedenkt, dann können Sie sich mental darauf vorbereiten. Sonst trifft es einen doch gar unvorbereitet. Natürlich müsste man mit dem Menuvorschlag ein paar Alternativen anbieten für den Fall, dass jemand gewisse Dinge partout nicht essen mag.

Samstag, 30. Juli 2011

Adäquater Sonnenschutz für die Businessfrau?

Zum 40. Geburtstag habe ich mir ein paar Gesichts-Treatments geleistet, die nun absolute Sonnen-Abstinenz erfordern. Doch wie schütze ich mich als Business-Frau stilvoll vor der Sonne? Baseball-Cap und Strandhut taugen wohl kaum? Tina S., per E-Mail
 
Jetzt hätte ich Ihnen gerne zum Sombrero geraten, aber ich fürchte, dass dieser lateinamerikanische Klassiker Ihrem Geschmack ebenso wenig entspricht wie der Cowboy- oder Safarihut. Und ja: Baseballkappen sind nur für sportliche Herausforderungen annehmbar. Bleibt der fein geflochtene Damenhut aus Raffia sowie der «garden visor», der eine Art geflochtener Schildmütze ohne Kopfteil ist, also ein hinten mit einem Band geschlossenes Stirnband mit breiter Krempe.

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Soll man ein Schlüsseletui mit sich tragen?

Mein Schlüsselbund reisst mir regelmässig Löcher in die Hosen- und Jackentaschen. Mein Vater hatte deshalb ein kleines Lederetui, worin die Schlüssel befestigt waren, doch ich finde das nicht chic und habe mich bis heute vor der Anschaffung eines solchen Utensils gescheut. Jan D., per E-Mail

Ich scheue auch davor zurück. Doch Ihr Vater war uns vermutlich überlegen und ordnete ästhetische Bedenken den funktionalen Vorteilen eines solchen Etuis unter. Vielleicht trug er auch ein Schlenkertäschchen am Handgelenk? Spass beiseite: Brauchen Sie all diese Schlüssel jeden Tag? Oder könnten Sie den Grossteil davon an einem langen Band in Ihrer Aktentasche verstauen und nur
den wichtigsten in einem kleinen Lederfutteral in der Jacke mit sich tragen?

Warum sind alle Männer in der Modebranche schwul?

Können Sie mir erklären, warum sich in der Modebranche nur Homosexuelle tummeln?
Ich finde es unheimlich traurig, dass die Mode anscheinend nur für diese Zielgruppe interessant ist und sich «richtige Männer» so wenig dafür zu interessieren scheinen. Paul S., per E-Mail


Mein lieber Paul, Sie danken mir jetzt bestimmt dafür, dass ich Ihre nächtens verfasste ganzseitige Tirade voller derber Grobheiten auf die obenstehende Formel verkürzt habe, sonst hätten wir hier sicher eine deftige Kontroverse vom Zaun gebrochen. Ihre Frage klingt nicht uninteressant, auch ich habe mir diese gelegentlich gestellt, wenn ich in Paris auf eine Modenschau wartete, umringt von Herren in Spitzenhemden und Leggings. Doch wenn Sie die Modebranche als Ganzes anschauen, also inklusive der Sports-, Casual und Streetwear, dann erübrigt sich die Frage ganz schnell wieder, denn die Modewelt ist tatsächlich ein bunt durchmischtes Völklein, in dem jeder Lifestyle und jede sexuelle Präferenz Platz hat.

Samstag, 23. Juli 2011

Durch sitzende Reihen gehen

Wenn man im Theater, Kino oder Flugzeug an bereits sitzenden Menschen vorbei seinen Platz aufsuchen will, wendet man dann den anderen Menschen den Hintern oder den Schritt zu? Gertrud G., per E-Mail

Jeder ernst zu nehmende Stilratgeber dieser Welt rät in solchen Fällen dazu, anderen Sitzenden das Gesicht zuzuwenden, das heisst: den Schritt. Man sieht so eher, ob jemand vielleicht aus Unachtsamkeit gerade seine Nase darin zu vergraben droht, und kann reagieren. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist, wenn man in der Kirche durch eine Reihe geht - hier ist der Respekt vor dem Altar bzw. dem dort Dienst tuenden Gottesdiener höher einzustufen als die Gefahr, ein anderes Individuum mit dem Anblick seines Podex zu verärgern. Im Flugzeug scheint mir das Vorbeidrängen an anderen Sitzenden angesichts der heute üblichen, engen Bestuhlung gar nicht mehr möglich. Hier wäre es sicher besser, die anderen kurz zu bitten, sich zu erheben.

Wann darf man fremde Menschen anrufen?

Meine Frau und ich fotografieren als Hobby die Brunnen Zürichs. Es gibt viele, zum Teil sehr schöne, auf privatem Grund. Nicht alle sind von der Strasse aus zu sehen, weshalb wir bei den Villen- und Hausbesitzern gerne anrufen. Was wäre hierfür die richtige Uhrzeit? Barbara und Detlev W., Meilen

Das nenne ich ein schönes Hobby! Sie erkunden den stillen Liebreiz unserer steinreichen Finanzmetropole. Und dafür sollten Ihnen die Herzen aller Brunnenbesitzer zufliegen, die nun sicher gespannt auf Ihren Anruf warten. Melden Sie sich doch am besten am Vorabend, zwischen 17 und 20 Uhr. Das scheint mir eine zivilisierte Zeit. Oder um halb zehn Uhr morgens. Abends und am Wochenende sollte man wildfremde Leute aber wenn immer möglich in Frieden dem Plätschern ihres Brunnens lauschen lassen.

Schuhe ausziehen in fremden Häusern?

Es fällt mir im Traum nicht ein, meine Gäste darum zu bitten, ihre Schuhe vor dem Betreten des Hauses auszuziehen, aber umgekehrt bin ich doch immer wieder mal mit diesem Wunsch konfrontiert. Doch ich mag meine (sauberen) Schuhe einfach nicht ausziehen! Ralf E., Winkel

Sie stellen völlig richtig fest: Man bittet seine Gäste niemals, die Schuhe auszuziehen, ausser es ist tiefster Winter und draussen liegt zentimeterweise Schneematsch. Umgekehrt lässt man sich als Gast auch besser gar nicht auf dieses leidige Thema ein. Wenn es doch geschieht: Nehmen Sie sich den Gastgeber fest zur Brust, schauen Sie streng, und wechseln Sie sofort das Thema. Und dann schreiten Sie erhobenen Hauptes und in Schuhen die fremden Gemächer ab, ohne sich auch nur eine Sekunde zu fragen, ob das unhöflich war.

Replik von Leser André Z. aus Feusisberg:
Sie verteidigen hartnäckig das Anbelassen von "sauberen" Strassenschuhen im Wohnraum. Aber auch die feinsten und saubersten Treter werden halt immer noch beispielsweise für die Benützung von weniger sauberen Pissoirs getragen. Schöne Vorstellung, diese auch auf dem Bettvorlieger tretend zu wissen. Der Stilfachmann ist natürlich weit gereist, und weiss, dass in ganz Asien das Belassen von Stassenschuhen in einem Haushalt etwa denselben Affront bedeuten würde, wie das gepflegte Nachtessen in ausgeleierten String Tangas. (Die Japaner wechseln sogar die Stassenschuhe gegen Hausschuhe und diese wiederum gegen andere Hausschuhe für die peinlich sauberen Nasszellen). Da meine Frau Asiatin ist, halten wir es - nicht so streng wie die Japaner - mit dem Angebot, Strassenschuhe gehen Slippers zu wechseln. Daran hat sich noch niemand gestört. Wer sich dagegen sträubt, dem würde ich ebenso mit aufgeplusteter Brust und strengem Blick sagen, dass "my home my castle" ist, und wem das nicht passt, er sich als Gast anderswo so aufführen könne.

Sonntag, 17. Juli 2011

Sind Chinos mit Bundfalten Figurkiller?


Können Sie mir erklären, wie es Chino-Hosen mit Bundfalten auf der breitesten Stelle des Oberschenkels so weit bringen konnten? Da will frau doch möglichst schlank aussehen und zieht nun ausgerechnet eine Hose an, die kaum jemandem steht! Dominique L., Oberwil

Ich habe vergangene Woche an der grössten europäischen Casual- und Jeanswear-Messe in Berlin ausgiebig zu diesem Thema recherchiert und zahllosen Frauen ebendiese Frage gestellt. Denn man sieht die «pleated Chino» jetzt tatsächlich überall - Closed macht übrigens die coolsten. Die meisten Frauen sehen zwar ein, dass die Bundfalten möglicherweise einen negativen Effekt auf die Silhouette haben können, sind sich aber sicher, dass es gerade in ihrem besonderen Fall nicht so ist. Ausserdem sei diese Hose superbequem und lässig, weil man so gut die Hände in die Hosentaschen stecken könne. Das ist zwar auch nicht im klassischen Sinne feminin, aber so ist die Mode nun einmal: nicht immer nur logisch.

Anmerkung von Leserin Ulla M. vom 18.7.2011:
Oh wie bin ich froh, dass Bundfalten wieder in Mode sind! So kann ich bestens meine "Schlesien-Ober" (frei nach Siegfried Lenz, so zärtlich war Suleiken) ererbten Hüften kaschieren und muss nicht mehr voller Neid auf meine Schwestern mit den gertenschlanken Hüften blicken!

Ihre Fragen, bitte

hre Stilfragen senden Sie an jvr@nzz.ch. Die Zuschriften werden immer teilanonymisiert.

Wie hält man Betrunkene von der Heimfahrt im eigenen Auto ab?

Wie kann ich als Gastgeber am Ende eines geselligen Abends meine betrunkenen Gäste davon abhalten, mit der Vespa oder dem Auto nach Hause zu fahren, ohne die Stimmung zu verderben? Meine Freunde lehnen mein Angebot jeweils ab, ein Taxi zu bestellen, und behaupten umso hartnäckiger, dass sie noch fahren können. Harry W., per E-Mail

Mit jedem Glas können Besoffene nach eigener Einschätzung noch besser Auto fahren. Die grausige Wahrheit ist jeden Tag in der Zeitung nachzulesen. Als verantwortungsvoller Gastgeber sollten Sie, so spiessig das auf die Kampftrinker wirken mag, Ihren Bedenken Ausdruck verleihen. Eine Folge könnte sein, dass diese nicht mehr zu Besuch kommen. Doch wäre das wirklich schlimm? Alternativen sind, ihnen den Schlüssel abzunehmen oder die Polizei zu verständigen. Dies wird die Freundschaft ruinieren, aber man muss sich dann keine Vorwürfe machen, wenn man die trinkfreudigen Freunde als traurigen Zwölfzeiler in der Zeitung wiederfindet.

Anmerkung von Leserin Tamara F. vom 17.7.:
Wir haben gerne Gäste und wir haben einen gut bestückten Weinkeller. Mit unseren Gästen haben wir abgemacht: Sie werden von uns mit dem Auto abgeholt und fahren nachher mit dem Taxi nach Hause. Bis jetzt hat sich noch keiner beschwert.

Champagner, Sekt oder "es Cüpli"?

Immer wieder komme ich in die Situation, dass mir, etwa an einem Apéro oder an Bord eines Flugzeuges, ein Getränk offeriert wird. Wie bestellt man nun einen «Schaumwein» unprätentiös und ohne zu viel Lokalkolorit? Ron C., per E-Mail

Sie meinen, Sie möchten mit einem «Cüpli» nicht zu helvetisch bzw. mit Sekt nicht zu teutonisch wirken? Oder haben Sie Angst, mit der Bestellung von Prosecco etwas unmännlich rüberzukommen? Dann bestellen Sie doch einfach ein Glas Champagner. Das kostet zwar mehr, doch schmeckt es meist auch besser, ausserdem klingt es feierlich und selbstbewusst. Man lebt bekanntlich auch nur einmal.

Sonntag, 10. Juli 2011

Wie gelingt eine perfekte Intimrasur?



Können Sie mir von Mann zu Mann verraten, wie ich eine unblutige Intimrasur hinkriege, die sich sehen lassen kann? Jean-Philippe S., per Postkarte

Weshalb nehmen Sie an, dass gerade ich mich damit besonders gut auskenne? Ich bin doch ein Befürworter des Ur-Mannes, der auch einmal etwas «Wolle» stehen lässt. Aber nun gut, ich meine, dass ein Kahlschlag dann am besten gelingt, wenn man sowohl elektrisch wie auch mit Klinge arbeitet. Will heissen: Erst wird mit einem Bartschneider schonend der Grobschnitt gemacht, dann mit einem Klingen-Nassrasierer das Stoppelfeld gemäht. Ein persönlicher Tipp: Wenn Sie eine nicht mehr ganz jungfräuliche Klinge einsetzen, mit der Sie sich etwa schon zweimal das Gesicht rasiert haben, ist das Verletzungsrisiko kleiner. PS. Danke für die hübsche Postkarte!

Leggings gehören abgeschafft!

Seit Monaten sehe ich nur noch Frauen in Leggings. Sogar bei älteren Damen fehlt diese furchtbare Gymnastikhose nicht. Warum gedenken die Schweizerinnen nicht, mehr in ihren Auftritt zu investieren? Ursula Z., Bern

Es mag Ihnen ein schwacher Trost sein, aber: Das von Ihnen angesprochene Problem ist nicht nur ein schweizerisches, man sieht dieses mediokre Beinkleid auch in Berlin, Brüssel oder Wien. Was die Sache natürlich nicht besser macht. Also will ich all meine Autorität zusammenkratzen und rufe laut: Meine Damen, die Zeit der Leggings, die Sie nun lange genug für eine modische Universalwaffe gehalten haben, ist abgelaufen, die Dinger gehören ab sofort in die Mülltonne, und nein: Sie taugen auch nicht als Strumpfhosen-Ersatz! Ende der Durchsage, Punkt.

Das "Mittelding" zwischen Anzug und Jeans

Mein Freund mag klassische Kleidung: entweder Jeans, Poloshirt und Turnschuhe oder Anzug mit Krawatte. Ich meine, dass es dazwischen auch ein Mittelding gäbe, das stilvoll aussieht. Denise F., per E-Mail

Oh ja, dieses «Mittelding» ist derzeit sogar sehr populär, man nennt es «casual chic» oder auch «upper casual», und in diesem Stil, den auch die Italiener gut beherrschen, verbinden sich freizeitliche Elemente lässig mit konservativen Klassikern. Typisch wäre etwa eine entspannte Chino-Hose, dazu ein Leinenhemd, eine gestrickte Krawatte und ein nur halb gefütterter, leichter Blazer. Ermutigen Sie Ihr Herzblatt ruhig, die Zügel etwas zu lockern.

Samstag, 2. Juli 2011

Ist der "Cygnet" etwas für Möchtegerns?

Ich bin ein Fan englischer Autos und frage mich, ob man auch den von Aston Martin auf der Basis des Toyota iQ in England gefertigten Kleinstwagen «Cygnet» fahren kann oder ob man dann bloss als Möchtegern-Aston-Martin-Fahrer angesehen wird. Thomas J., Dietikon

Sicher ist das Auto nach wie vor ein wichtiges Distinktionsmerkmal, gerade für Männer. Aber Menschen, die glauben, andere nur aufgrund ihres fahrbaren Untersatzes einordnen zu müssen, sind mir zutiefst suspekt. Ich kann also nur für mich und nicht für das Stilempfinden der restlichen Welt sprechen, doch hätten Sie - wenn Sie das beruhigt! - durchaus meinen Segen, wenn Sie sich einen «Mini-Aston» kaufen. Ich finde diese Initiative zur Reduktion des CO2-Ausstosses der Flotte nämlich richtig und sympathisch. Und jetzt, wo offenbar nicht nur «echte» Aston-Fahrer dieses Wägelchen als Zweitauto kaufen können, darf man dessen Besitz getrost als eigenständiges «Statement» für mehr Stil und weniger Platz- und Benzinverbrauch sehen.

Eine muslimische Frau zum Date treffen?

Ich habe vor kurzem eine Frau im Fitnesscenter kennengelernt, die ich nun zum Nachtessen treffe. Sie ist aus dem Nahen Osten, aber seit einigen Jahren in der Schweiz wohnhaft. Was muss ich im Umgang mit meiner arabischen Bekanntschaft beachten, gerade in Bezug aufs Essen? Guido P., Zürich

Meine beste muslimische Freundin sagt dazu Folgendes: Bleiben Sie beim ersten Date eher ein bisschen auf Distanz - also auf keinen Fall schon fummeln und anfassen wollen. Seien Sie sehr höflich und aufmerksam. Erzählen Sie von sich, seien Sie lustig und überraschend. Seien Sie männlich und selbstbewusst. Aber quatschen Sie bitte nicht über Politik. Wenn Sie unsicher sind, ob sie Alkohol trinkt, fragen Sie einfach, ohne allzu scheu ums Thema herumzudrucksen. Und falls Sie selber den Grill anwerfen, sollten Sie von Lenzburger Schweinswürstli absehen.

Schmutzwäsche transportieren, Teil 2

Wie führt man auf Reisen mit häufigen Ortswechseln bereits getragene oder verschmutzte Kleider wieder im Koffer mit? Simone H., per E-Mail

Plastic ist oft stillos und schnöde, aber in diesem Fall wohl doch das Beste. Denn auch der elegant bestickte Leinenbeutel kann nicht verhindern, dass der Mief einer getragenen Socke im Koffer auf frische Wäsche überspringt. Die einzige Alternative, die ich sehe, wäre eine separate Reisetasche für die schmutzige Wäsche. Wenn Sie mit Personal reisen, dürfte das keine zusätzliche Last sein.

Für Teil 1 desselben Themas siehe diesen Link.

Samstag, 25. Juni 2011

Ein sommerliches Alltagskleid

Ich, 52 Jahre und schlank, suche ein schönes Sommerkleid, das nicht superkurz ist, sondern etwa knielang. Es scheint mir fast unmöglich, ein solches zu finden. Minis will ich mir in meinem Alter nicht mehr antun. Oder ist das eine altmodische Vorstellung? Elisabeth G., Jonen

Immer wieder muss ich erstaunt feststellen, dass sich die sehr patente Erfindung des Wickelkleides aus Jersey, wie es etwa die Designerin Diane von Fürstenberg seit Jahrzehnten entwirft, noch nicht weiter herumgesprochen hat. Es ist leicht, praktisch, variabel und elegant. Man kann es tagsüber tragen, es verzeiht auch mal ein Kilo mehr auf den Rippen und lässt sich problemlos reinigen. Googeln Sie mal den «Wrap Shop», ich würde Ihnen zum Modell «New Jeanne» raten. Und ja, das mit den Miniröcken sollte man ab 50 vielleicht besser sein lassen, ausser, wenn man als Performerin im Showbusiness tätig ist.
Rückfrage von Leserin Silvia B.:


Ich hätte gerne ein solches Kleid gekauft – wo finde ich dieses in Zürich? Über Internet in Amerika zu kaufen ist nicht günstig, möchte es doch zuerst probieren (wegen der Pölsterchen).


Antwort des Stilsheriffs:
In Zürich findet man die Kollektionen von Diane von Fürstenberg etwa bei Bon Genie - Grieder.

Und noch eine Reaktion von Leserin Anja L.:
Gerne möchte ich Ihr Augenmerk auch auf die Schweizer Designnerin Corinna Konopka lenken. Sie hat in ihrer Kollektion ganz tolle Jersey Teile. Ich bin selber 45 Jahre alt und trage ihre Stücke mit viel Freude und Stil. Sie passen für den Alltag, wie auch wenn es etwas schöner sein soll.

Weisse Socken zu Sneakers?

Eigentlich sind weisse Socken ja total verpönt, aber irgendwie sieht es doch auch komisch aus, zu weissen Turnschuhen dunkle Socken zu tragen? Bruno L., Zollikofen

Da haben Sie aber recht. Zu weissen Sneakers sind weisse Sportsocken noch immer eine vernünftige Wahl - dies gilt auch für Leser aus dem Berner Mittelland und dem Aargau. Es sähe wirklich eigenartig aus, solch freizeitliches Schuhwerk mit (womöglich noch knielangen) Business-Socken zu tragen. Es müssen aber richtige Socken sein, nicht so kleine «Söcklinge», die gehen nur für Frauen.

Ihre Fragen, bitte.

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Bier aus der Flasche trinken?

Darf man sein Bier auch in einem besseren Gastronomiebetrieb sitzend aus der Flasche trinken? Ich sah kürzlich einen berühmten Intellektuellen, der dies tat. Dominik K., per E-Mail

Hätten Sie doch mal heimlich ein Bild von dem Mann geschossen, dann müssten wir jetzt nicht alle rätseln, welche Berühmtheit sich Ihrer Vermutung nach an der guten Sitte vergangen hat! Denn ein bisschen ruppig ist es natürlich schon, das Bier aus der Flasche zu trinken. Bei einer Steh- oder Grillparty ist es okay, und auch zum «Public viewing» eines Fussballmatches würde man es nicht anders machen. Aber in einem «besseren» Restaurant, das doch sicher passende Gläser bereithält? Da sollte es schon ein Glas sein. Ich persönlich würde an solchen Orten sowieso keine schnöde «Stange», sondern ein schönes Amber- oder Braunbier nehmen, und das schmeckt aus dem Glas hundertmal besser.

Replik von Leserin Helene B.:
Bis jetzt war ich der Meinung, eine Stange sei eine Masseinheit von variabler Grösse und offenes Bier, das immer in einem Glas serviert wird. Man könnte also auch in einem besseren Gastronomiebetrieb, was immer das auch in Bezug auf Bier heissen soll, keine Stange aus der Flasche trinken. Auf die Idee, Bier aus der Flasche zu trinken, käme ich als Frau allerdings nie. Prost.

Replik von Leser Gerhard H.:
Stilfragen oder Trendfragen sind einem enorm raschen Wandel unterworfen. Dies gilt auch für die Art von Events und den Umgang mit den dort angebotenen Getränken. Dieser Szenewechsel brachte auch einen Wechsel in der Trinkkultur, die durch das Angebot von Dosen und schicken Flaschen bereichert wurde. Innovative Getränkehersteller haben nämlich beobachtet, dass Getränke aus einem Glas oft kompliziert sind, weil sie die Bewegungsfreiheit unter den Gästen stark einschränken. Red Bull, der Welt grösster Verkäufer von Dosengetränken, hat den Trend zum Trinken aus der Dose gesetzt und punktet auch nach zehnJahren noch an hunderten von Events mit Teilnehmern aus allen Bevölkerungsschichten. In Mexiko hat ein Bierhersteller denselben Trend mit einer besonders schicken Glasflasche unter dem edlen Namen Corona bereichert. Nicht nur an Events, sondern auch in schönen Gartenrestaurants kommen die Corona Flaschen vom Silbertablett auf den Tisch und können sogar im Eiskühler gekühlt werden. Kenner wie Ryannah, Robi Federer, George Clooney und Fussballstars trinken das leichte und erfrischende Corona selbstverständlich nur aus der Flasche – und fühlen sich dabei keineswegs stillos.

Antwort des Verfassers an Leser Gerhard H.:
Ich stimme dem zwar nicht zu, aber denke, dass Ihr Einwurf das thema sachlich anreichert. Doch wehe ich finde eines Tages heraus, dass Sie Bier-Importeur sind und meine Rubrik hier auf schäbige Weise für Ihre Zwecke missbraucht haben! ;-)

Samstag, 18. Juni 2011

50 und mit Hoody?

Ich bin kürzlich 50 geworden und muss mir nun vermeintlich flotte Sprüche anhören, weil ich Jeans in Used-Optik mit aufgeriebenen Stellen und Kapuzenpullover trage. Bin ich wirklich zu alt für solche Kleidung? Christian I., Kloten

Wenn Sie in dem erwähnten Weekend-Aufzug einmal rasch zur Tankstelle oder mit dem Hund spazieren gehen, sollte er kein grösseres Aufsehen erregen. Auch an einem Hip-Hop- oder Rockfestival werden Sie damit nicht wirklich auffallen. Doch für berufliche oder gar gesellschaftliche Einsätze gibt es für einen Herrn in den besten Jahren nun wirklich passendere Kleidung, die trotzdem nicht weniger bequem ist, etwa Chinos, Oxford-Hemden und Cardigans.

Wie geht man "smart casual" zur Party?

Wir sind zu einer Geburtstagsparty eingeladen und sind uns nicht einig darüber, was der auf der Einladung genannte Dresscode «Smart casual» bedeutet. Martin G., per E-Mail

Für Herren empfehle ich in solchen Fällen eine freizeitliche Hose oder dunkle Jeans mit schönen Schnürschuhen, ein helles Button-down-Hemd (ohne Krawatte!) sowie ein entspanntes Sakko, zum Beispiel die weichen, ungefütterten Soft-Jackets. Man kann auch einen hellen Anzug «lässig» tragen, also zum offenen Hemd. Die Damen sind bei dieser recht unverbindlichen Formulierung frei, einen Rock, eine Hose oder auch ein kurzes Kleid zu wählen. Absätze sind keine Pflicht, aber schön. Ein langes Kleid wäre aber sicherlich overdressed.

Wo trägt man das Parfum auf?

Damen tragen ihr Eau de Toilette oder Parfum oft hinter dem Ohr auf. Wo aber trägt der Businessman seinen Duft? Kann das Besprühen der Kleidung empfohlen werden? Martina R., Zürich

Ich bin sehr dafür, dass auch die Herren ihre Duftmarken am Körper setzen, und nicht auf die Kleidung. Denn erst auf der Haut entfaltet sich ein Parfum zu seiner ganzen Dimension. Geeignet sind gut durchblutete Stellen des Körpers, wo man den Puls spürt. Üblicherweise besprüht bzw. benetzt man den Hals und die Handgelenke, die Schultern und den Nacken. Es gibt auch Fachleute, die behaupten, man solle die Kopf- oder Brustbehaarung parfümieren, weil sich die Duftstoffe über die Haare besser verteilen. Coco Chanel sagte einst, man solle sich dort parfümieren, wo man geküsst werden möchte. Das gilt aber nur für die Damen, denn sonst würden sich die meisten Männer ja vermutlich den Hosenlatz vollsprühen. Und der ist ja nur zeitweise gut durchblutet.

Anmerkung von Leser Urs M.:
Ihre Anmerkung, das Parfümieren des männlichen Hosenlatzen, bzw dessen „zeitweiser Durchblutung“ (des Latzes, nicht dessen Inhalts?) betreffend belegt einmal mehr, dass Stil und Geschmack nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben. Trotz dieses wohl einmaligen Fehlgriffs wird Ihre Kolumne gerade wegen ihres bemüht gehobenen Sprachstils, aber auch der wichtigen Nebensächlichkeiten unserer Gesellschaft wegen, jeden Sonntag gerne gelesen. 

Anmerkung von Leserin R. B.:
Ihr Hinweis zum idealen Ort des Parfums bei Männern hat mich glatt umgeworfen! Ihre Offenheit hat so etwas Befreiendes an sich! Klare Botschaften sind heilsam und sie tragen bei zum Verständnis zwischen uns Geschlechtern. Daher habe ich mich riesig darüber gefreut, in einer Frage und Antwort zu Stil Ihre Direktheit zu lesen.

Anmerkung von Leserin und Fragestellerin Martina R.:
Besten Dank für Ihre Antwort. Sie haben die Stilunklarheit der Fragestellerin und ihres Partners humorvoll augenzwinkernd und natürlich gewohnt stilbewusst gelöst. 

Anmerkung von Leserin Susanne O. aus A.:
Jetzt sind Sie aber wirklich aus den Höhen des Olymps zu uns gewöhnlich Sterblichen hinuntergestiegen mit dem Besprayen des Hosenlatzes! Tztztz. Was solls, macht Sie vielleicht auch menschlicher. Ich mag Sie trotzdem und werde weiterhin die Stilseite zuerst lesen.

Anmerkung von Leserin Simone S.:
Die Kolumne war das Highlight der letzten Ausgabe! Mein Liebster spazierte gestern mit einem parüfmierten Hosenlatz durch die Gegend. Selten so gelacht.

Samstag, 11. Juni 2011

Als junger Mann Hosenträger tragen?



Ich bin, obwohl erst zwanzigjährig, ein grosser Fan von Hosenträgern, wie man sie in den fünfziger Jahren trug. Ich frage Sie nun aber: Kann man heute noch Hosenträger zum Hemd tragen, ohne gleich in die Hipster-Schublade gesteckt zu werden? Rafael W., per E-Mail

Hosenträger sind toll, und ich verstehe im Grunde nicht ganz, warum sie heute nur noch von dicken Männern benutzt werden, denen sonst die Hosen auf die Knie rutschen würden. Mit Hosenträgern fühlt man sich - auch als schlank gebauter Mann - unbeschwerter als mit dem Gurt, der im Grunde gar nicht zur männlichen Physis passt. Ich kann Sie also nur ermutigen, tapfer weiter Ihren eigenen Stil zu kultivieren und sich möglichst nicht darum zu kümmern, welche Etiketten andere dafür verwenden.

Manschettenknöpfe auch im "Alltag"?

Von jeher trage ich meine Hemden mit Manschettenknöpfen, ob mit oder ohne Krawatte. Nun habe ich vom Manschettenknopf-Verbot im UBS-Dresscode gelesen und bin verunsichert. Wofür stehen Manschettenknöpfe denn heute, was sagen sie über den Träger aus? Markus O., Zürich

Sie haben bestimmt auch schon gehört, dass das aufsehenerregende Stil-Handbuch der Grossbank inzwischen schubladisiert wurde, also machen Sie sich keinen Kopf, was Ihre modischen Vorlieben betrifft. Manschettenknöpfe sind chic, durchaus auch tagsüber, abends sowieso, und sie verleihen einem Outfit einen kleinen, meist wohltuenden Touch Individualität. Wer behauptet, dass nur Gecken und Angeber solchen Schmuck tragen, lebt hinter dem Mond.

Mit hohen Absätzen auf die Jacht?

Ich bin auf eine Party auf einer Jacht im Hafen von Saint-Tropez eingeladen. Mein Nude-Kleid mit Glitzer-Effekt sollte passend sein. Da ich schlanke, aber keine superlangen Beine habe, sind hochhackige Schuhe für mich unerlässlich. Nun höre ich aber, dass Strassenschuhe, gerade solche mit Absätzen, auf einer Jacht absolut tabu seien. Wie kann ich mein Outfit retten? Ruth S., per E-Mail

Hochhackige Schuhe sind bei Bootsbesitzern tatsächlich verpönt - sicher während des Segeltörns. Denn Absätze sind an Bord einfach nicht brauchbar, ausserdem hinterlassen schmale Stiftabsätze unter Umständen Abdrücke auf dem Holzdeck. Allerdings: Wenn einer schon ein Boot in Saint-Tropez hat und darauf ein Fest veranstaltet, wird es ja wohl hoffentlich keine Zweimann-Segeljolle sein? Besitzer von Motorbooten sind bezüglich der Hacken tendenziell weniger kategorisch, denn bei ihnen ist die coole Pose von Natur aus wichtiger. Ich würde deshalb zu freizeitlichen Wedges (Schuhe mit Keilabsätzen) greifen. Die geben Ihnen auch etwas mehr Halt, wenn's dann schwankt - Sie oder das Schiff.

Anmerkung von Leser This B. vom 12.6.2011:
Auf einer Privatjacht - egal ob Segel oder Motor - sind auch Keilabsätze für Frauen und selbst wenn es sich um diejenigen von YSL in Espadrille-Art handelt, ein totales no-go! Auf Privatjachten immer nur barfuss, oder in flachen Bootsschuhen. Wer einen wirklich tadellosen Auftritt sucht, macht in handgemachten, leichten Belgian shoes - ohne zusätzlich aufgeklebte Gummisohle - den elegantesten Auftritt, egal wie lange die Beine sind.

Anmerkung von Leserin Corina H. vom 12.6.2011:
Ein Schiffsbesitzer betrachtet sein Schiff meistens als seine Lady! Eine Lady wird liebevoll umsorgt, und das fängt damit an, wie man das Schiff betritt. Ruth S. ist also besser beraten, ihren Kleiderstil der Situation anzupassen, denn vor den Jachten stehen Körbe, in welche man die modischen Schuhe ablegt und barfuss die wertvollen Decks betritt. Wenn Schuhe, dann rutschfeste Jachtschuhe, die nur auf Deck und mit Sicherheit nicht auf der Strasse getragen werden.


Anmerkung von Leser Hermann P. vom 12.6.2011:
Ich glaube in Ihrer Antwort ist ein „Stilfehler“ unterlaufen. Ich gehe davon aus, dass es sich in St. Tropez um EIGENTÜMER von Motorbooten handelt und nicht um BESITZER. Diese Herrschaften werden die Motorboote kaum gemietet haben und nur "Besitzer" statt Eigentümer sein?

Samstag, 4. Juni 2011

Wieviel Echtschmuck darf sein?


Echter Schmuck nutzt sich nicht ab und wird kaum von Trends obsolet gemacht. Aber: sind drei Ringe (Memoire, Solitär, Ehering), Goldkreolen und eine massiv goldene Panzerkette zu viel des Guten? Caroline U., per E-Mail
 
Modeschmuck kann man schamlos viel auf sich laden, je mehr, desto besser. Beim Echtschmuck wäre ich vorsichtiger, denn da trägt man mitunter ja rasch einen Wert mit sich herum, für den andere ein Leben lang sparen. So etwas kann überheblich wirken. Wenn man sich dann noch besonders auffällig und erkennbar teuer kleidet, kann das fröhliche Herzeigen seines Wohlstands gar vulgär werden. Wenn Sie sich also gerne etwas opulenter behängen, stapeln Sie mit dem Outfit eine Spur tiefer. Nur für besondere Gelegenheiten, grosse Feste etwa, sollten Sie das volle Ornat wählen.
Wie trage ich im Geschäftsanzug stilvoll mein Mittagessen mit mir? Es handelt sich um eine Lunchbox für die Mikrowelle. Ein Rucksack oder eine Einkaufstüte machen sich ja nicht so gut. Michael S. aus W.
 
Haben Sie noch nie vom maskulinen Shopper gehört? Das sind schlichte, geräumige Taschen in der Form eines Migros-Sacks, die sich vorzüglich für solche Zwecke eignen und aus Leder oder festen Stoffen gefertigt sind. Geben Sie bei Google mal das Suchwort Cabas Denim ein. So muss das aussehen!

Darf ein Orchestermusiker nur ein T-Shirt tragen?

Kürzlich genoss ich ein Konzert des Kammerorchesters Solothurn. Alle Musiker waren tadellos gekleidet, nur ein Geiger sass im weissen T-Shirt da. Schon vor gut einem Jahr hatte derselbe Musiker während des Konzerts seine Jacke über die Stuhllehne gehängt. Gibt es in einem Orchester keine verbindliche Kleiderordnung? Armin G., Luterbach
 
Da Sie den fehlbaren Musiker ja praktisch beim Namen nennen, habe ich mich bezüglich des Orchesters kundig gemacht und stelle erleichtert fest, dass es sich beim SKO, so heisst das Solothurner Kammerorchester unter Kennern, um ein ambitioniertes Laienorchester handelt (Zitat Radio DRS). Sein langjähriger Leiter und Dirigent soll sogar eine überregionale Koryphäe sein. Natürlich wäre es schön, diese angesehene Hobby-Truppe könnte sich auf ein verbindliches Outfit für ihre Auftritte einigen, denn ein T-Shirt wird ihrem guten Ruf sicher nicht gerecht. Aber Sie wissen ja, wie das ist: Manche Leute sind so verkrampft individuell, dass es ihnen unmöglich ist, sich anzupassen. Die Musiker des SKO spielen aus Freude an der Sache, nicht des Geldes wegen, und deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass sich der eine oder andere weigert, sein Ego der gemeinsamen Sache unterzuordnen.

Samstag, 28. Mai 2011

Warum werden die Herrenhosenreissverschlüsse immer kürzer?

Ich stelle fest, dass Hosen, die ich kaufe, immer kürzere Reissverschlüsse haben. Hat diese Kostenoptimierung seitens der Produzenten vielleicht bald wieder ein Ende, oder muss ich mich nach einem Chirurgen für eine Verkleinerung meiner Hand und meines Penis umsehen? Robert R., Aarburg

Die Mode hat auch der Menswear die sogenannte «low-rise»-Hose beschert, deren Bund absichtlich tiefer sitzt. Sie funktioniert meistens nicht gut, weil viele Männer eine gedunsene Mitte haben und diese Hose diesen Überhang noch akzentuiert. Dennoch glaube ich nicht, dass wir bald wieder zu den hoch sitzenden Seventies-Hosen zurückkehren. Wenn Sie Ihre Hosen dennoch lieber etwas «weiter oben» tragen, dann halten Sie sich von extrem modischen Marken und «Slim fit»-Schnitten fern. Die Klassiker verwenden immer noch 16 bis 18 Zentimeter lange Reissverschlüsse, und das sollte auch für grösser gebaute Werkzeuge reichen, zumindest im Ruhezustand.

Ihre Fragen, bitte.

Ihre Fragen senden Sie an jvr@nzz.ch. Ich freue mich auch auf Zuschriften von Damen, weil sonst die in Stilfragen notorisch ratlosen Herren  hier sukzessive ganz und gar das Programm übernehmen! ;-)

Rücksichtsvoll rauchen

Heute klemmen die meisten Raucher ihre Zigaretten - es mag mit vermeintlicher Grazie geschehen - so zwischen die Finger, dass der glühende Teil nach vorne aussen schaut und andere Gefahr laufen, sich ein Brandmal einzuhandeln. Zu meiner Zigarettenzeit war es allgemein bekannt, den Glimmstengel mit Zeigefinger und Daumen so zu halten, dass die Handfläche die glühende Spitze schützte. Martin F., Küsnacht

Ich glaube, in meiner Kindheit Typen gesehen zu haben, die auf die von Ihnen geschilderte Art rauchten. Sie taten dies aber nicht, um besonders rücksichtsvoll zu sein, sondern, weil es irgendwie cooler aussah. Vielleicht rauchten diese Typen, es waren so «Töffli-Buebe» der späten siebziger und frühen achtziger Jahre, damals als ironische Reverenz an ihre Väter auf diese Weise? Wie auch immer: Es wäre schön, wenn es sich wieder einbürgern würde.

Sind Vuitton-Taschen stillos oder nur mainstream?

Gewisse Markenartikel berauben ihre Besitzer jeglicher Individualität. Zu solchen Dingen gehören nach meiner Meinung auch die von Trägerinnen oft schlecht kombinierten Taschen von Louis Vuitton. Etwas zu tragen, was auf eine Marke hinweist, scheint mir wenn nicht stillos, dann doch sehr «mainstream»? Xenia B., per E-Mail
 
Vermutlich lesen diese Zeilen ungefähr gleich viele Menschen, die solche Taschen tragen oder begehren, wie auch Menschen, welche solche mit Logos gesprenkelten Produkte verachten. Ich mag mich deshalb hier nicht öffentlich auf eine bestimmte Seite schlagen, sondern versuche ein salomonisches Urteil zu fällen, indem ich sage: Das Monogram Canvas von Vuitton hat die Sphäre der plumpen Markenwerbung längst verlassen und kann heute abstrakt «gelesen» werden, also wie ein Muster oder eine Farbe. Ob Sie mir zustimmen wollen, bleibt Ihnen überlassen.

Sonntag, 22. Mai 2011

Scheusslich: Männer mit Bauchtäschchen


Ein Kollege von mir, der sich sonst ganz manierlich kleidet, liebt diese scheusslichen Bauchtäschchen. Er trägt sie sogar unterm Anzug, wo sie unsägliche Beulen werfen! Meine Intervention hat bisher lediglich dazu geführt, dass er vom Nylon-Umbinder auf ein kaum besseres Exemplar aus Leder umgestiegen ist. Daher meine Frage: Was empfehlen Sie als «Handtasche für den Mann»? Isabell H., Rorschacherberg

Danke dafür, dass Sie das erwähnte Accessoire bereits mit passenden Adjektiven versehen haben. «Scheusslich» ist wahrlich nicht zu stark für diese Art der stilistischen Entgleisung, gerade zum Anzug. Ein solches Täschchen sollte ein Mann nie tragen, noch nicht einmal zu Shorts und T-Shirt in den Ferien, wo es noch am ehesten hingehört. Es gibt kompakte Umhängetaschen für Männer, aus Leinen, Canvas oder kernigem Leder, manchmal auch gemischt. Sie müssen auch nicht zwingend so gross wie Laptop-Taschen sein. Zur Krawatte gehört eine lederne Aktentasche. Nylon oder Plastic sollte ein Gentleman aber verschmähen.

Geschenke sofort auspacken?

Kürzlich lud ich eine Geschäftspartnerin und ihren Mann in die Oper ein. Beim Apéro davor überreichte man mir ein als Geschenk verpacktes Buch. Es nahm Bezug auf einen früheren Opernbesuch, und meine Gäste erzählten mir wortreich, was ihnen an dem Schriftsteller besonders gefalle. Die ganze Zeit hielt ich das eingepackte Buch in der Hand. Später meinte meine Partnerin, dass es nicht sehr nett gewesen sei, das Geschenk nicht auszupacken. Dabei wollte ich einfach nur zuhören, statt das Geschenk aufzureissen. War das tollpatschig? Christoph B., Zürich
 
Nicht Sie haben gepatzert, sondern Ihre Begleiter. Es war ungeschickt von Ihren Gästen, Ihnen nicht die Zeit zu geben, das Geschenk in Ruhe auszupacken und das Buch selbst zu «entdecken», sondern gleich auszuplaudern, was das Papier noch versteckte. So, wie es bei Ihnen lief, hätte man die Verpackung des Geschenks ja auch ganz einfach weglassen können. Ihr Verhalten scheint mir dagegen ohne Tadel.

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"Lebensabschnittbegleiter"?

Unter welchen Bedingungen darf man jemanden als «Lebensabschnittspartner» vorstellen? Mir schiene es gar pessimistisch, meinen Freund bzw. Lebensgefährten und Konkubinatspartner so zu nennen, wenn ich noch mit ihm zusammen bin. Was meinen Sie dazu? Saskia V., Mendrisio

«Lebensabschnittspartner» sollte man nicht sagen, denn es ist ein technokratisches, emotionsloses Unwort von zweifelhafter Natur und nimmt eine Trennung bereits vorweg. Das ist fürwahr herz- und stillos. Man verwendet solche Begriffe also höchstens retrospektiv, etwa wenn man gescheiterte Beziehungen zu beschreiben versucht, zu denen man aber noch etwas zusätzliche Distanz gewinnen möchte.

Sonntag, 15. Mai 2011

Wie Schmutzwäsche transportieren?


Mein Arbeitgeber ermöglicht durch einen Wäschedienst das Reinigen und Bügeln von Wäsche und Kleidern aller Art. Gerne nehme ich diesen Dienst in Anspruch, frage mich aber, wie ich in Zeiten von überfüllten Bussen und Trams meine Kleider (vornehmlich Hemden) diskret durch die Stadt transportieren soll. Wie trage ich verschmutzte Hemden «politisch korrekt» mit mir herum? Simon M., Zürich

Für den Transport von schmutziger Wäsche kannten unsere Vorväter noch spezielle Behältnisse - man wollte getragene Socken und Unterhosen auf keinen Fall im selben Koffer wie seine frische Garderobe haben und besass deshalb einen sogenannten «Steamer Bag» für die getragenen Sachen. Diese Taschen sind geräumig wie zwei Papier-Einkaufstüten (die sonst auch gute Dienste tun!), haben oben eine lederne Lasche zum Verschliessen und lassen sich recht klein zusammenfalten, wenn sie nicht gebraucht werden. Louis Vuitton hat «das Original» noch heute im Angebot.

Was tut die Witwe mit dem Ehering?

Ich, 46, bin seit einiger Zeit verwitwet und trage meinen Ehering zusammen mit dem Ring meines Mannes am linken Ringfinger. Der Ring am Ehering-Finger hat ja zudem eine ganz klare symbolische Bedeutung: Man/frau ist schon vergeben. Was aber, wenn ich nicht mehr unbedingt «vergeben» sein will und mich trotzdem nicht von meinen zwei Ringen trennen will? Gibt es eine stilvolle andere Variante, beide Ringe weiterhin zu tragen? Nein, am Kettchen um den Hals ist keine Option. Lisa S., Aeugst

Ich sehe am menschlichen Körper eigentlich nur sehr wenig gangbare Alternativen, um Fingerringe zu befestigen - Sie wollen sich ja kaum damit piercen lassen? Also bleiben die Ringe an der Hand. Vielleicht lassen Sie beide etwas grösser machen, um sie an den Mittelfinger zu stecken? Das ist dann weniger «eindeutig» und könnte so Ihre Chancen zur amourösen Neuvergabe etwas optimieren. 

Kommentar vom 20. Mai 2011 von Leserin Lotti A. aus B:
Ich habe ein ähnliches Problem folgendermassen gelöst und habe viel Freude daran: Ich hatte aus der Erbschaft meiner Eltern deren beide Eheringe sowie den Ehering meines Grossvaters. Ich wollte die Ringe weder zu einer der vielen Goldhändler bringen noch irgendwo in einer Schachtel vergammeln lassen, denn für mich haben sie - wie für die Dame im Artikel - eine gewisse symbolische Bedeutung. Ich brachte sie also, zusammen mit vier kleinen Halbedelsteinen, welche ich von einer meiner Reisen aus Zimbabwe mitgebracht hatte, zu einem ortsansässigen Juwelier, der für neue Kreationen zusammen mit seinen Kunden offen ist. Aus den für mich geschichts- und symbolträchtigen Teilen wurde ein moderner Ring, dem man nicht ansieht, dass drei Eheringe die Grundlage bilden: Wir stellten die Eheringe leicht schräg gegeneinander, da sie verschiedene Grössen haben,  verbanden sie miteinander, so dass sie zu einem Ring  mit Zwischenräumen wurden und bestens an meine Mittelfinger passen; die drei  runden Mondsteinchen und den dreieckigen Iolit (blauviolett) befestigten wir erhoben an deren Oberfläche - ich finde die Zahl der Steine (3:1) passend symbolisch zu den 3 Ringen (meine Vorfahren - und als Resultat ich) - und wie gesagt, der Ring sieht sehr modern und auf alle Fälle speziell aus.

Nasennebenhöhleninhalthochzieher

Ich hasse es, in einem Hörsaal, einem Zug oder einem Restaurant zu sitzen und ständig von den schniefenden Geräuschen von Mitmenschen, die offensichtlich noch nichts von Taschentüchern gehört haben, gestört zu werden. Es lässt in meinem Inneren eine immense Hitze aufsteigen. Ich finde, dass man seine Körperfunktionen in der Öffentlichkeit nicht ostentativ vorzuführen hat. Was empfehlen Sie für so eine Situation? Annika S., Wien

Das einfachste und effizienteste Mittel gegen diese verbreitete Unkultur ist immer, wortlos und relativ diskret ein Päckchen Taschentücher hinzuhalten. Meist sind die Betroffenen für diese Handreichung dankbar, denn viele Menschen vergessen einfach, so etwas mit sich zu führen. Schlimm wird's erst bei jenen Mitmenschen, bei denen das Heraufziehen des Naseninhalts schon zur Gewohnheit geworden ist. In diesen Fällen empfehle ich, sich einmal recht ahnungslos nach einer Erkältung oder eventuellen Allergien zu erkundigen, um das Bewusstsein fürs Schniefen wieder zu wecken.

Montag, 9. Mai 2011

Mit Hut im Gartenrestaurant?


Letzten Sommer hatte ich ein Streitgespräch mit meiner Freundin, weil ich mich weigerte, meine Mütze abzunehmen, als ich am Mittag in einem Gartenrestaurant an der prallen Sonne sass. Sie beharrte darauf, dass dies gegen die rudimentärsten Tischsitten verstosse. Ich bin zwar auch der Meinung, dass Kopfbedeckungen (bei Männern) in Gebäuden und besonders am Tisch abzulegen sind. Aber wenn man draussen an der prallen Sonne eine Mahlzeit einnimmt und empfindlich gegen Sonne ist, sollte man den Sonnenschutz doch aufbehalten dürfen. Philipp M., per E-Mail 

Waren Sie Witzbold etwa wieder einmal mit Ihrem extragrossen Sombrero unterwegs, was?! Da hätte ich auch protestiert. Aber wenn es nur ein eleganter Panamahut, ein modischer Stroh-Trilby oder eine kommune Schildmütze war, dann finde ich es eigentlich nicht so schlimm, wenn Sie diese Kopfbedeckung in der Mittagssonne anbehalten. Den Hut nimmt man zwar ab, wenn man ein Restaurant betritt und sich an den Tisch begibt, aber bei in einer Gartenbeiz sehe ich das nicht so eng. Das Lokal ist ja selber schuuld, wenn es nicht mal Sonnenschirme bereit hält.

Go see the doctor ...

Meine Arbeitskollegin, mit der ich mich sehr gut verstehe, meldet sich jede Woche einmal zum Arzt ab. Darf ich mein Interesse bekunden und sie fragen, was mit ihr los ist? Einerseits möchte ich wahres Interesse zeigen, andererseits liegt es mir fern, in ihre Privatsphäre zu platzen! Charles L., Zürich

Je länger Sie darüber nachdenken, umso schwieriger wird es, die Sache anzusprechen. Deshalb rate ich: Machen Sie keinen Staatsakt daraus, und fragen Sie einfach einmal von Mensch zu Mensch, wo's denn gesundheitlich nicht zum Besten stehe. Das kann man Ihnen, wenn Sie wirklich ein Freund sind, nicht als unangemessene Neugier anrechnen. Es obliegt dann Ihrer Kollegin, zu entscheiden, ob sie Sie mit der ganzen Wahrheit belasten oder mit einer eleganten Ausrede im Unklaren lassen will.

Wenn Stirnfransen nerven

Seit langem stören mich Persönlichkeiten, die ihre Haare tief ins Gesicht fallen lassen. Manchmal als Fransen (meist direkt über den Augen), manchmal als ganze Mähne, so dass es aussieht wie bei gewissen Hunden, bei denen man sich wundert, wie die überhaupt noch etwas sehen. Hat das Stil? Margrit B., Schönenberg

Sie haben recht, diese Justin-Bieber-Frisuren im Stil eines Gesichtsvorhangs sind nur für Teenager geeignet. Zumindest, wenn es sich um den Haarwuchs von Männern handelt. Bei Frauen wäre ich bezüglich der Stirnfransen nicht ganz so apodiktisch. Da finde ich es bisweilen schön sexy, wenn sich eine Locke frech tanzend vor dem Gesicht bewegt. Man trägt das Haar ja wieder etwas natürlicher, und das ist gut so. Nicht jeder will mit einem hart gesprühten "Helm aus Haaren" herumspazieren, wie das "meine" Königin Beatrix tut ...

Was, wenn die Kollegin schlecht riecht?


Die Körperausdünstungen einer Arbeitskollegin werden für mich zusehends zur Tortur. Ich bin mir fast sicher, dass diese selbstsichere Person jeden noch so zurückhaltend vorgetragenen Abhilfevorschlag als Affront betrachten würde. Guido D., per E-Mail
 
Wenn einem jemand sagt, dass man nicht gerade frisch riecht, ist das peinlich und manchmal brüskierend. Es verlangt ein Maximum an Rückgrat, Nerven und Formulierungskunst. 

1. Sagen Sie's unter vier Augen. 
2. Benützen Sie eine neutrale Sprache. 
3. Betonen Sie, wie schwer Ihnen das Ansprechen des Sachverhalts ist. 
4. Weisen Sie die Person darauf hin, dass Sie diese Aussprache zu ihrem eigenen Wohlergehen riskieren. 

Wenn Ihnen das zu brenzlig ist, müssen Sie ins Internet gehen, dort finden Sie Websites wie «Stench Informer» oder «Youreally smell.com», von denen aus Sie anonym einen Hinweis an die Person senden können.

Ist ein "Apéro riche" ein Abendessen?

Wenn ich zu einem «Apéro riche» eingeladen werde, so bin ich der Meinung, dass dieser vor dem Nachtessen stattfindet. Nun wurde ich schon oft schräg angeschaut, wenn ich mich nach etwa einer Stunde höflich verabschieden und zum Znacht aufbrechen wollte. Muss man den «Apéro riche» also als vollwertiges Abendessen mit allem Drum und Dran verstehen? Ist das eine Schweizer Eigenart? Monika W., Oberwil

Die Spanier haben ihre Tapas, die Italiener den Aperitivo, die Schweizer den Apéro riche. Es wird bei uns im Allgemeinen davon ausgegangen, dass der Apéro riche ein Nachtessen ersetzt, weil er idealerweise eine komplette Speisefolge (von salzig bis süss) enthält. Wer kein ausgebuffter Vielfrass ist, wird an einem gelungenen Apéro riche schon ohne weiteres satt.

Sommerschuhe für Männer

Man sieht nun, da es wärmer wird, allerlei Schuhwerk, von Jeans mit Flip-Flops über Bermudas mit Mokassins, Sandalen oder Sneakers. Ich selbst trage am liebsten Lederschnürer, aber im Sommer ist mir das zu warm. Lukas V., Rothenburg 
 
Nichts gegen Flip-Flops und Sandalen, aber alles an seinem Ort: Die einen gehören an den Strand, die anderen an Kinderfüsse. Gute Sommerschuhe für Männer mit Stil sind helle, geflochtene Lederschuhe (Bally), Chucks (Converse), Leinenschnürer (B-Store), Bootsschuhe (Sperry), Wildleder-Mokassins (Tod's oder Car Shoe) sowie Espadrilles (Castaner oder Pare Gabia). Alle sollte man tunlichst ohne Socken tragen. Ich finde zu Bermudas oder Leinenhosen auch Birkenstock-Sandalen oder lederne Zehensandalen gut, vorzugsweise in einem schönen Braunton, aber bitte mit schön geschnittenen Zehennägeln und vorgebräunten Füssen.

Dienstag, 26. April 2011

Im Smoking heiraten?


Ich habe mich dazu entschieden, im Smoking zu heiraten. Insbesondere deshalb, weil mich die 08/15-Hochzeitsanzüge nicht wirklich begeistern konnten. Trägt man ihn mit oder ohne Kummerbund (schwarz)? Ist es angebracht, ein weisses Einstecktuch dazu zu tragen? Und zu guter Letzt: Ist heiraten im Smoking okay? Christiano U., per E-Mail

Darf ich von hinten her anfangen? Dann muss ich Ihnen erst einmal dringend vom Smoking abraten. Den trägt man nämlich nur nach Sonnenuntergang. Wenn Ihre Hochzeit gegen den späteren Mittag stattfindet, würde ich ein Auge zudrücken, aber am Vormittag wäre dieser Abendanzug ein totaler Fauxpas. Dann sollten Sie den «morning coat» tragen (Cutaway mit Weste) oder einen dunklen Anzug. Abends zum grossen Fest ist der Smoking aber top, und dann gehört alles dazu, also ein Kummerbund und eine Fliege aus schwarzer Seide (keine Farben) sowie ein glattes weisses Einstecktuch. Am Hemd (mit verdeckter Knopfleiste) trägt man Manschettenknöpfe, und: Auch die hochglanzpolierten schwarzen Schuhe nicht vergessen!

Gewurstelkrawatten?

Ich trug bei einer Hochzeitsfeier vor nicht allzu langer Zeit eine Schalkrawatte, las nun aber, dass Sie diese «Gewurstelkrawatten» zum Hochzeitsanzug schrecklich finden. Ich bin verunsichert und frage Sie: Muss ich zur «normalen» Krawatte wechseln, um stilvoll auszusehen? Pascal M., Solothurn

Was Sie gerne tragen, nennt man eine Ascot- oder Schalkrawatte, manchmal auch Gavroche, und die ist sehr elegant und fein. Sie wirkt unkonventionell und etwas intellektuell, aber trotzdem festlich. Aber was ich meine, sind diese glänzenden, ab Fabrik in dramatische Falten gelegten, breiten Plastron-Bastarde, die man den Männern in vielen Hochzeitsgeschäften um den Hals bindet. Sie sehen aus wie Requisiten aus einem Achtziger-Jahre-Kostüm-Pornofilm.

Ein guter Hochzeitsanzug

Ich heirate und bin ziemlich verzweifelt über die uninspirierte Mode für Bräutigame. Wo bitte finde ich freche und elegante Männermode mit einem gewissen Etwas, die sich sowohl an einer Hochzeit als auch an einem edlen Anlass im Alltag tragen lässt? Remo R., Bern
 
Sie sollten an Ihrer Hochzeit so gut wie möglich aussehen. Also lassen Sie sich einen schlanken, schmalen Einknöpfer mit Spitzrevers beim geübten Masskonfektionär machen. Ein solcher Anzug hat modischen Schliff, trotzdem eine leicht festliche Note und taugt so später auch zu einem weniger hohen Fest. Wenn Sie mögen, können Sie das Sakko auch separat zu Jeans oder schmalen Bermudas tragen. So eine Anschaffung kostet Sie kaum mehr als ein guter Anzug ab Stange.

Sonntag, 17. April 2011

Blumen statt uninspirierte Barspende



Es scheint in Mode gekommen zu sein, zu einem Geburtstagsfest möglichst viele Leute einzuladen und ihnen dann mitzuteilen, dass sie nichts mitbringen müssten, man aber eine Bargeldspende an eine vom Gastgeber genannte Institution erwartet. Ich halte davon überhaupt nichts, da so der Sinn des Schenkens missbraucht wird. Claus G., Zufikon

Wahrscheinlich haben Menschen, die solche Einladungen aussprechen, schon alles zu Hause und fürchten, von ihren Freunden mit unnützem Krimskrams zugedeckt zu werden, den sie dann wieder ins Brockenhaus bringen müssen. Es steht Ihnen jedoch frei, solche neumodischen Aufforderungen zum kollektiven Guttun einfach zu ignorieren, indem Sie mit einem absichtlich riesigen Blumenstrauss auftauchen und so tun, als hätten Sie von alledem nichts gewusst. Das ist alleweil eleganter, als verkniffen und widerwillig etwas in einen Topf zu geben, der einem nicht geheuer ist. 

Nachtrag vom 17.4.2011 von Leserin Esther G.:
Ich feiere gerne Geburtstagsparties und freue mich, wenn mein Umfeld mir zum Geburtstag bzw. zum Anlass etwas Gutes tun will. Am meisten freue ich mich, wenn ich etwas sinnvolles im Tierschutz machen kann. Also wünsche ich mir von meinen Gästen seit Jahren jeweils einen finanziellen Beitrag zum Tierschutz. Kann ich dann mit dem Betrag ein paar Kastrationen von Streunern finanzieren, ein Pferd vor dem Schlachter retten oder Arbeitsesel in Tanzania medizinisch versorgen lassen, ist meine Freude gross. Ein riesiger Blumenstrauss wäre das letzte, was mir Freude bereiten würde. Das bewusste ignorieren meiner Bedürfnisse, erachte ich als ausgesprochen stillos und nimmt mir jegliche Freude am beschenkt werden.
 

Nachtrag vom 17.4.2011 von Leser Bruno M.: 
Die Idee des Schenkens liegt im Freude bereiten des Empfängers (!) und nicht in der Selbstbefriedigung des Schenkers. Wie oft hat wohl jeder in seinem Leben erlebt, dass er etwas bekommen hat, das zwar dem Schenker gefiel, aber nicht dem Beschenkten. Wenn dem Schenkenden das Freude machen "widerwillig" ist, dann soll er es besser gleich sein lassen und offen dazu stehen. Es erscheint mir dann doch etwas anmassend und arrogant zu wirken, wenn nun der Schenker das Gefühl hat, er wisse es besser (!), was dem Beschenkten zu gefallen und zu passen hat. Ihr Vorschlag, einen riesigen Blumenstrauss zu bringen, endet oft mit der Peinlichkeit, dass der Beschenkte den Blumenstrauss in die Badewanne stellen muss, weil gerade die passenden Vasen entweder in der Grösse oder in der Anzahl nicht vorhanden sind. Ein intelligenter Schenker würde dann am Besten gleich die passende Vase mitschenken.

Ihre Fragen, bitte.

hre Fragen senden Sie an jvr@nzz.ch. Die Zuschrfiten werden in jedem Fall teilanonymisiert.

Papier- oder Stoffserviette?

Mein Mann und ich sind uns nicht einig, ob eine Papierserviette auch wie eine Stoffserviette während des Essens auf den Schoss gehört oder auf dem Tisch liegen bleiben darf. Ich bevorzuge letztere Variante, da die leichten und kleinen Papierservietten oft auf dem Boden landen und ich nicht ständig unter dem Tisch danach suchen möchte. Regula S., Aarau

Ich stimme Ihnen da zu: Eine Stoffserviette hat Würde und Schönheit, und Sie schützt im Fall einer Panne auch wirklich vor Flecken. Deshalb legt man sie zum Essen auf den Schoss bzw. steckt sie (als Mann!) für bestimmte «schwierige» Speisen in die Knopfleiste des Hemdes. Eine Papierserviette dient jedoch bestenfalls dazu, sich nach dem Essen den Mund abzutupfen, und deshalb bleibt sie bis zu diesem Moment auf dem Tisch liegen. Nach Gebrauch legt man sie auch wieder dorthin, nicht etwa in den Teller.

Tee statt Kaffee

Bei Einladungen wird nach dem Essen oft die Frage gestellt, ob man einen Kaffee möchte. Fragt man dann aber nach einer Tasse Tee, bringt dies den Gastgeber in Verlegenheit. Dann wird in den Schubladen herumgekramt, bis sich irgendwo noch ein muffiger Teebeutel von der letzten Grippe zeigt. Darf ich mir daher erlauben, meinen eigenen Tee mitzubringen und um heisses Wasser zu bitten? Mary I., per E-Mail
 
Sie sind offensichtlich eine Tee-Feinschmeckerin, und als solche sollten Sie auch ausser Haus nicht auf Ihren bekömmlichen Heisswasser-Digestif verzichten müssen. Ich würde Ihr Verhalten deshalb höchstens als keck, aber keinesfalls als dreist oder falsch bezeichnen. Der Gastgeber ist ja selber schuld, wenn er nicht mit Teetrinkern rechnet, so selten sind diese ja nun auch wieder nicht! Eine Idee: Verschenken Sie doch bei Einladungen immer eine feine Dose guten Tee. Dann können Sie zum Ende des Dinners vielleicht gleich von Ihrer Grosszügigkeit profitieren.

Sonntag, 10. April 2011

Pliage-Tasche für den Mann?


Geht es, dass Männer (im Anzug oder in Freizeitkleidung) den grossen Sac pliage (von Longchamp) als Sport- oder Einkaufstasche rumtragen? Sind allenfalls die in dunkel gehaltenen und weniger konischen Modelle gangbar? Sylvie H., Zürich

Diese klein faltbaren Nylontaschen sind vorzügliche Alltagsbegleiter für Damen jeden Alters, und sie werden auch von Teenagern gerade sehr geschätzt. Allerdings finde ich auch, dass es für Herren sehr viel passendere und maskulinere Transportbehältnisse gibt, etwa robuste Shopper aus Canvas oder Leder. Es sei denn, ein Mann will bewusst feminin wirken oder ein Anti-Statement zu seinem hohen Testosteronwert machen.
Auf Partys werden oft Häppchen auf Baguette-Scheiben gereicht. Ich erlaube mir des Öfteren, lediglich den Belag, also die Scheibe Rohschinken, die Lachstranche usw. zu essen und die Weissbrot-Unterlage diskret auf der Serviette oder dem Teller zurückzulassen. Letzten Samstag wurde ich von Freunden deshalb scharf gerügt. Entweder man bediene sich und esse auf, oder man lasse es bleiben. Verstosse ich gegen die Canapé-Etikette? Sandro M., per E-Mail

Sie sind mir ja ein ganz Wilder, ein Partyhäppchentrenner - so etwas habe ich noch nie erlebt! Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie Sie mit spitzen Fingern die Wurst vom Brot klauben, schüttle mich und denke: Natürlich wurden Sie völlig zu Recht getadelt! So etwas macht man nicht. Sind die Speisen widerlich, lässt man die Finger ganz davon, statt sie in ihre Einzelteile zu zerlegen.